Savages

Savages
Originaltitel: Savages – Erscheinungsjahr: 2012 – Regie: Oliver Stone



Darsteller:
Taylor Kitsch, Blake Lively, Emile Hirsch, Aaron Johnson, John Travolta, Salma Hayek, Uma Thurman, Trevor Donovan, Benicio Del Toro, Joel David Moore, Gillian Zinser, Mía Maestro u.A.

Filmkritik: Willkommen liebe Leser, heute steht eine Zeitreise auf dem Programm. Eine Zeitreise in die zweite Hälfte der 90er Jahre: Tarantino war „the way to go“, hippes Gelaber, coole Gangster, bizarre Situationen und böse Gewaltmomente, die trotz allem eine unterschwellig humorvolle Note besitzen, waren an der Tagesordnung. Und was gab es damals nicht alles zahlreiche Werke, die mehr oder weniger von dem werten Herrn Ex-Videothekar Tarantino inspiriert oder gar geschrieben waren. Da gab es True Romance, bei dem er auch für das Drehbuch verantwortlich war und den Tony Scott (RIP) verfilmt hat und dabei pathetische Offkommentare zur Aus- und Einleitung hinzugegeben hat sowie einen chronologischen Storyablauf. Da gab es Gregg Arakis „Doom Generation“, welche die bizarren Momente ins Abstruse gesteigert und wenig mehr dargestellt hat, als den abseitigen Endpunkt all der „wasted 90s Kids“-Attitüde, die damals immer noch durch Genre-Filme mit Twentysomethings wehte. Und vergessen wir natürlich nicht „Natural Born Killer“ von Oliver Stone himself, bei dem Tarantino, welcher hier abermals die Vorlage geliefert hatte, so wenig davon im finalen Werk wiedersah, dass er kurz davor war seinen Namen von dieser trippigen LSD-geschwängerten Mediensatire zurückzuziehen, die bereits mit Drogen, Indianern, Schamaneismus und bewusst überzeichneter Optik zwischen grobkörnigem Schwarzweiß und farbgetränkter MTV-Optik mit solch einer Holzhammer-Moral auf den Zuschauer eingeschlagen hat, dass es kein Entkommen gab. Ob man bei all dem inhaltlich gelungenen Irrsinn wirklich entkommen  will, sei dabei natürlich dahin gestellt.
Selbst bis etwa 2000 zog sich der Tarantino-Trend, welcher gar noch in solchen Werken wie Christopher McQuarries The Way Of The Gun, welcher unter anderem Benicio Del Toro in der Darstellerriege aufbot und auf die Jagd nach einer von Gangstern entführten Leihmutter in allerlei Actionsituationen verstrickte.

Warum dieser kleine Rückblick? Weil Oliver Stones „Savages“, welcher auf einem Roman von Don Winslow basiert, ist schlicht und ergreifend „einmal alles“ der bereits genannten Streifen in einem Mixer, mit teilweise schmerzhaft auf „bemüht cool“ gemachten Einlagen und vereinzelt merkwürdigen Moralmomenten, aber diese beiden Punkte sind dann natürlich auch wieder „typisch tarantineske 90s Ware“.

„When I fuck with him, I’m having orgasms, but he’s having wargasms!”

Erklärt zumindest das ständig zugekifferte Kiffermädel, welches gerade mit Taylor Kitschs Charakter vögelt. Denn die Geschichte dreht sich darum, dass zwei sehr gute Freunde, einer Soldat, einer Pro-Aktiver-Hippie, einen gut laufenden Grasvertrieb haben (und mit dem Geld auch arme, arme dritte Welt Dörfer unterstützen), nur um von der mexikanischen Mafia „angeworben“ zu werden, die nach der Ausschlagung des Deals mal eben deren beide Freundin entführt, was nach und nach die Situationen auf beiden Seiten immer mehr eskalieren lässt und bei dem immer mehr die Frage gestellt wird, wer den hier die wirklichen Wilden sind… Den letzten Satz bitte in prätentiös nasaler Stimme lesen, damit es auch genauso rüberkommt wie es im eigentlichen Geschehen wirkt.
Und nach einem Querfeldeinlesen der Vorlagensynopsis scheint sich Stone auch extrem eng an das Buch von Winslow gehalten zu haben, welcher direkt etliche Kapitel direkt in Drehbuchform geschrieben hatte. „Weil sich das einfach richtiger anfühlte!“ meint er, klar, „weil ich auf eine Verfilmung geschielt habe mit diesem gequirlten 90s Allerlei“ wäre wohl auch etwas zu offen gewesen.

Die der zitierte Spruch mit den „Wargasmen“ stammt dann auch aus der sehr True Romance-haften Offkommentar-Einleitung bei der Blake Livelys Charakter nicht nur den Zuschauer über die momentane Situation, sondern auch ihre eigene Blödheit in Kenntnis setzt. (Wenn sie erklärt, dass sie die Wortbedeutung von „Savages“ nachgeschlagen hat, ist Hand-vor-die-Stirn-klatschen-Alarm angesagt.) Denn auch wenn das Wortspiel mit Kriegsorgasmus durchaus Sinn macht, so schmerzhaft ist die bemüht coole Ausführung kombiniert mit Stones Holzhammer-Moralhaftigkeit dann aber auch. Ende der 90er hätte man da vielleicht nur einen Mundwinkel drüber verzogen, aber jetzt? Oliver Stone hatte ja selbst mit „U-Turn“ bereits einen weiteren „Tarantino-Streifen“ abgeliefert, welcher damals bereits gezeigt hat, dass der Regisseur eben mit der inhärente Absurdität seines Drehbuchs dahingehend nicht wirklich umgehen kann, als dass er sie statt mit Normalität nur mit noch mehr absurden Situationen abfedert, was dem Ganzen dann statt einer gelungenen, eher eine gezwungene Note verleit. So leider auch hier, aber glücklicherweise wird das blöde, blonde Kiffermädel ja schnell entführt.

Benicio Del Toro als „sleazy Sanchez“!

Der große Punkt, der den von der Ausgangslage mittelmäßigen „Savages“ weit noch oben auf der Gelungenheits-Skala katapultiert, sind seine Darsteller. Kitsch und Johnson spielen die beiden Kiffer-Kumpels mit extrem unterschiedlichen Hintergründen perfekt, John Travolta als bestechlicher Drogenfahnder ist eine Wucht, Salma Hayek als zwischen Kartell und Familie verstrickter Gangsterimperiumsherrscherin ist fantastisch, aber Benicio Del Toro ist die absolute Wucht! (Ok, Blake Lively als blödes, auch wenn es wohl „unschuldiges“ sein soll, Kiffermädel ist auch ziemlich gut, ihre Nervigkeit kommt durch das Drehbuch und nicht durch die Darstellung ihrerseits, auch wenn es abermals eine Schande ist, dass man sich hier die nackten Details von ihren männlichen Mitschauspielern anschauen darf, aber mal wieder keine „Hauptdarstellerin“ geboten bekommt, die sich trotz satter Sexmomente mal richtig nackt präsentiert. Oh Amerika, was für ein Schwachsinn, aber wir schweifen ab…)

Gut, Benicio Del Toros mexikanischer Gangster-Charakter heißt nicht „Sanchez“, sondern „Lado“, aber mein Gott, ist er sleazig. In jedem zweiten Moment irgendwo zwischen Massenmord, Vergewaltigung und etwas stumpfer Einfältigkeit schwankend ist das mal endlich ein richtig widerwärtiger, aber unglaublich gelungener Gangster-Charakter, der sich sogar teils von seinen 90er Wurzeln, bzw. dem jene Stilmomente wiederkäuendem Skript, befreien kann und eine absolut großartig hassenswerte, wie auch auf befremdliche Weise unterhaltsame Figur schafft. Großartig! Aber, wie gesagt, die Darsteller sind ohnehin das ganz große Plus dieses Films.

Das ganz große Minus dieses Films

Denn leider ist das ganz große Minus des Films eben seine übertrieben coole Attitüde sowie all die Möchtegernmomente, die leider am Ende wenig clever, sondern viel mehr kitschig und unnötig sind. Dummer Offkommentar, welcher leider sowohl zu Beginn als auch am Ende gnadenlos den Spaß aus dem Film zieht? Gecheckt. Komplett nutzlos-dumm-zeitverschwendender Kniff im Finale? Doppelcheck!
Dabei hat das Skript besonders im Bezug auf den Gangsterboss-Charakter von Salma Hayek gute Ideen und lässt dieser Figur sogar eine gelungene Vielschichtigkeit angedeihen, welche sogar in leichter Form bei eigentlich allen Charakteren in irgend einem Moment des Films zu spüren ist, wäre da nur eben nicht der immer wieder vorkommende, furchtbare Rückfall in lahme 90s-Gangster-Stereotypen. Insgesamt muss man also für sich selbst entscheiden, wie viel dieser Umstand einem beim Zuschauen den Film vermiest. Deshalb haderte die Filmbewertung auch den gesamten Streifen über irgendwo zwischen 6 bis gar 8 von 10, weswegen schlussendlich mal das Mittelmaß gegeben wurde, auch wenn die Endbewertung von den Punkten her also ziemlich relativ genommen werden sollte. Der Autor dieser Zeilen ist sich auch nach einem Nachdenken nicht so sicher, was er im Endeffekt von dem Geschehen halten soll. Oh. Aber bevor es noch vergessen wird:

Verdammt, ist „Savages“ manches Mal hart! Von Folterungen mit einer Peitsche, bei welcher dem Gefolterten schon mal ein Auge aus der Höhle gepeitscht wird (und dann auch erstmal da hängen bleibt), über aufgespießte Leichen, mit deren abgetrennten Köpfen Fußball gespielt wird bis hin zu satter Actiongewalt wie Kopfschüssen und Co. gibt es etliche Momente, die einmal mehr die FSK und ihr Auswürfeln der Freigaben in Frage stellen, auch wenn im Endeffekt die durchaus vorhandene Vielschichtigkeit in den vorkommenden Figuren wohl der Auslöser dafür war, am Ende eben doch mit einer FSK16-Freigabe zu wedeln, anstatt dem ganzen einen ab 18-Abwatsch zu erteilen.

Das Fazit bleibt, dass auf jeden Fall alle Leute, die mal wieder „so einen typischen 90s Gangsterstreifen“ in den Kinos sehen wollen, mit den „Savages“ rundum bedient werden, dabei aber witzigerweise sowohl all die guten, wie auch all die schlechten Momente dieses spannenden Zeitraums der Filmgeschichte wieder vor Augen geführt bekommen.

Filmbewertung: 7/10