James Bond – Keine Zeit zu sterben

Originaltitel: James Bond – No Time To Die
Erscheinungsjahr: 2021
Regie: Cary Joji Fukunaga
Erscheinungstermin: seit dem 29. September 2021 im Kino

Bond is back … zum letzten Mal als Daniel Craig. Und, keine Sorge, hier geht es Spoiler-frei zu Werk, denn KEINE ZEIT ZU STERBEN hat etliche Momente, die man unbelastet selbst erleben sollte. Denn nachdem CASINO ROYALE als „Bond Begins“ das Franchise gründlich umkrempelte und die weiteren Werke eine relativ eng verflochtene Geschichtenwelt präsentierten, ist KEINE ZEIT ZU STERBEN nun der Höhepunkt dieser Reihe, das Staffelfinale.

Das macht Cary Joji Fukunagas Arbeit auch in jedem Moment klar, denn nicht nur gibt es ein Wiedersehen mit vielen alten Bekannten, sondern durch einen megalomanischen Wahnsinnigen mit Superwaffe steht die Sicherheit der gesamten Welt auf dem Spiel. So weit, so Bond-typisch. Frisch ist jedoch Fukunagas Attitüde, die glücklicherweise entfernt ist von Sam Mendes Präsentation der Agentenwelt. In vielen Sequenzen fühlt man sich fast in selige Connery-Zeiten versetzt, wenn Craig sowohl ruchlos, als auch mit einem flotten Spruch seine Gegner ins Jenseits schickt.
Dabei hat Fukunaga auch das richtige Gespür, wie er diese Versatzstücke mit dem neuzeitlichen Pathos der Serie verbinden muss, die 007s Anfänge und Aufstieg zum Superagenten chronologisierte. Ausgenommen CASINO ROYALE, der als „Bond Begins“ etwas aus der Reihe fällt, präsentiert der Regisseur hier das am besten an den aktuellen Zeitgeist angepasste Agenten-Feeling, bei dem alte wie neue Elemente gleichwertig nebeneinander existieren können.

Die Probleme mit der Länge und dem Malek

Nachdem sich SPECTRE gefühlt drei Mal um die eigene Achse drehen musste, um den Shared-Universe-Ansatz der Werke plausibel zu machen, ist das Skript zu KEINE ZEIT ZU TÖTEN deutlich subtiler und cleverer beim Verflechten der verschiedenen Handlungsstränge, die sich teilweise seit CASINO ROYALE durch die Reihe ziehen.
Dass das Endergebnis ohne Abspann gut 150 Minuten dauert, ist dabei etwas schade, denn im Nachhinein fühlt sich gerade das zweite Drittel etwas gestreckt an. Die einzelnen Sequenzen sind für sich alle gut, wenn nicht sogar exzellent inszeniert. Doch eine weitere Skript-Überarbeitung hätte mit Sicherheit etwa zwanzig Minuten aus dem Film entfernen können, ohne wichtige Charakter-Momente ihrer Intensität zu berauben. Das Ganze wirkt, als sei es stark beeinflusst von der aktuellen Binge-Watching-Kultur der Marke „je länger, desto besser“, die leider in den letzten Jahren bei vielen Filmemachern das Gespür für pointiert-knappe Storys beinträgt hat.

Ebenfalls ein paar Probleme hat Rami Maleks namens (und jetzt bitte nicht lachen) „Lyutsifer Safin“. Die meisten Menschen nennen ihn nur Safin, was den Schmunzel-Faktor dann etwas herunterschraubt. Ist Malek in seinen ersten Szenen, auch dank creepy Make-up, durchaus beeindruckend, so verliert er leider im Finale einigen Charme. Denn wenn er einmal anfängt, seine Beweggründe auszuposaunen, redet er zwar viel, ohne wirklich etwas von Substanz zu sagen. Auch hier hätte wohl ein kleiner Rewrite einiger Dialoge Wunder bewirken können.
Wer aber auf jeden Fall dank des Drehbuchs punktet ist Lea Seydoux als Medeleine, die in SPECTRE noch den Charme eines laffen Milchbrötchens hatte, aber dank Fukunaga nun deutlich mehr zu tun kriegt, sowohl emotional, als auch handlungsmäßig. Auch die gesamte MI-6-Crew wird sehr gut eingesetzt. Und eigentlich wäre Lashana Lynch als Nomi, die neue 007, der absolute Stand-out-Character des Films, der selbst eine schöne Entwicklung durchmacht und etliche charmante Momente hat, wenn da nicht Ana de Armas Paloma wäre. Sie schafft es in ihrem leider relativ kurzen Auftritt den Film komplett an sich zu reißen und wird innerhalb von einer Handvoll Dialogen und einer Actionszene zu einem der, wenn nicht dem besten „Bond-Girl“ der Craig-Ära.

Fukunaga dreht das Franchise am Ende in die richtige Richtung

Es gibt einen gruseligen „Right Hand Man“ des Schurken, einen klassisch ruchlosen Bond-Kill an einem Schurken, eine inspirierte quasi „One-Take-Actionszene“, einen zünftigen Bodycount, erstklassige Action und sogar einige überraschend gefühlvolle Momente: Ja, Bond is back! Und im Gegensatz zu Marc Forsters „artsy“-Ansatz bei QUANTUM TROST und Sam Mendes erst zwiespältigem SKYFALL und dann dem SPECTRE mit Blofeld komplett in eine falsche Richtung gehenden SPECTRE, hat Fukunaga Bond richtig verstanden. So sehr sogar, dass es faszinierend wäre, ihn für den nächsten Einsatz des dann von jemand anderem gespielten Geheimagenten zurückzuholen.

Vielleicht hat das Franchise hier einen zweiten Martin Campbell an der Hand? Nur das Skript sollte man beim nächsten Mal noch ein weiteres, letztes Mal überarbeiten. Es gibt ansonsten noch ein, zwei Kleinigkeiten, die eigentlich bei KEINE ZEIT ZU STERBEN angesprochen werden sollten, doch das führt zu sehr in Spoiler-Gefilde. Eines ist klar: KEINE ZEIT ZU STERBEN ist ein gelungener, teilweise überraschend intensiver Abschluss der Craig-Ära.

Fazit: Anschauen! Und am besten sollte man vorher das Internet meiden.