Contraband

Contraband
Originaltitel: Contraband – Erscheinungsjahr: 2012 – Regie: Baltasar Kormákur



Darsteller:
Kate Beckinsale, Mark Wahlberg, Ben Foster, Giovanni Ribisi, J.K. Simmons, Lukas Haas, Diego Luna, Monica Acosta, Caleb Landry Jones, Robert Wahlberg, Jaqueline Fleming, Deneen Tyler u.A.

Filmkritik: Es war einmal ein isländischer Regisseur, Schauspieler und Produzent namens Baltasar Kormákur, der 2008 den Film „Reykjavík Rotterdam“ nicht nur produzierte, sondern ebenso mit eine der Hauptrollen spielte. Anscheinend mochte Hollywood den Streifen, denn nun nach knappen vier Jahren läuft die amerikanisierte Version „Contraband“ in den Kinos an. Dieses Mal darf Baltasar zwar nicht mehr mitspielen, dafür aber gleich mal Regie führen. Die Hauptrolle spielt Mark Wahlberg, der mit diesem Film „ins harte Actiongenre zurückkehrt“, die wie bereitgestellten Presseinformationen gleich in der ersten Zeile herausstellen. Seit dem gelungenen „Shooter“ sind ja auch bereits knapp fünf Jahre vergangen, vielleicht wäre es da auch mal an der Zeit für eine Neuinterpretation?

Aber bevor es wieder gehässig wird, einmal in Kürze zur leider ziemlich unfokussierten Geschichte des Streifens: Chris Farraday war früher der Schmuggler-König von New Orleans, aber lebt nun mit seiner Frau Kate (origineller Rollenname für Kate Beckinsale) und seinen beiden Söhnen zusammen und schwelgt maximal noch bei einem Glas Bier mit seinem besten Freund Sebastian Abney (Ben Foster) in vergangenen Tagen. Als dann aber leider Kates kleiner Bruder Andy (Caleb Landry Jones, der bereits schon als „Banshee“ aus „X-Men: First Class“ aussah, als sei er ständig auf Droge) statt fünf Kilo Koks sicher zu Schmuggeln im Meer entsorgt, um nicht vom Zoll erwischt zu werden, sind die Hintermänner alles andere als froh.

Maximal zwei Wochen hat Chris nun Zeit Andy aus dem Schlammassel zu ziehen, bevor dieser getötet werden soll und die Schuld dann ohnehin „auf die restliche Familie angerechnet wird“. Also heuern die Beiden bei Captain Camp (was ein sehr passender Name für den ewig spaßigen J.K. Simmons als lustigen B-Antagonisten ist) an und versuchen mit Hilfe alter Schmugglerfreunde und –kontakte in Panama so viel Zeug an Bord zu schaffen, damit Andy daheim wieder seinen Kopf aus der Schlinge ziehen kann. Derweil passt Sebastian auf Kate und die Kinder auf…

Herr, lass Fokus vom Himmel regnen…. bitte?!?

So weit, so eigentlich geradlinig, wenn das von Aaron Guzikowski vom Original adaptierte Drehbuch nicht ständig Umweg über Umweg nehmen würde und dabei zig verschiedene Figuren einführt, die konsequent um filmische Aufmerksamkeit beim vollgestopften Inhalt buhlen. Angefangen bei Ben Foster, der mal wieder eine gute Performance abliefert, aber langsam komplett auf das Rollenklischee „sympathische Arschlöcher“ wie etwa auch bei „The Mechanic“ festgelegt wird (und ironischerweise ähnlich wie Caleb Landry Jones erstmals in einem X-Men Streifen, in diesem Fall X3, einem größeren Publikum gezeigt wurde). Seine Hintergründe mit Hauptcharakter Chris werden nur angerissen und die weiteren, durchaus viel dramatisches Potential hergebenden Entwicklungen im Film werden einzig durch sein überdurchschnittliches Schauspiel abgefedert.

Mark Wahlberg ist einmal mehr eigentlich nur eine Variation des üblichen Wahlberg-Charakters, der je nach Film in irgend einer Sparte meisterlich agiert, aber ansonsten der moralische Goody-Two-Shoes ist und in etwa so dreidimensional wie eine Zeichentrickfigur daherkommt. Hier und da gibt es kleinere Momente, wo die Lust an der kriminellen Energie bei seinem Charakter wieder wach wird, aber anstatt sich auf die Schmuggler-Geschichte zu konzentrieren, fährt „Contraband“ einen kompletten B-Plott auf, bei dem Ben Fosters Figur sich an Wahlbergs Filmfrau heranmacht und natürlich ein (extrem vorhersehbares) Geheimnis versucht zu hüten, während die unglaublich klischeehaften Drogendealer nicht nur in der deutschen Synchro teils eine unfreiwillig witzige, weil extremst übertriebene Schnoddersynchro verpasst bekommen haben, sondern eigentlich auch ab Tag 1 gleich Kates Beckinsales Figur das Leben zur Hölle machen. Mit einem ebenfalls vorhersehbaren Twist wird das zwar etwas erklärt, aber insgesamt verderben da leider zu viele Nebenhandlungen das Geschehen. Hat man noch in einem Moment dramatisch mit Vergewaltigung gedroht, ist die humorvolle, aber gleichzeitig spannende Schmuggelaktion mit „Heist“-Movie-Charakter nur einen Umschnitt entfernt.

So geht es leider immer hin und her im Film, der dann im Mittelteil mehr als unmotiviert eine durchaus schön fotografierte Schießerei in Panama noch ins Geschehen drücken muss, um vielleicht das Cover zu rechtfertigen, welches Wahlberg entschlossen mit Waffe in der Hand zeigt. Schließlich ist dies ja anscheinend seine Rückkehr „ins harte Actiongenre“, selbst wenn er eigentlich abgesehen von ein paar sekundenkurzen Prügelmomenten immer nur cool daneben steht. Auch das Ende ist ein weiteres, wundervolles Beispiel, wie unfokussiert das gesamte Geschehen wirkt: Wird der Schmuggel-Plot noch flott, wenn auch vorhersehbar, dafür aber ebenso überraschend humorvoll gelöst, dass man sich an die humorvollsten Momente von Guy Ritchie erinnert fühlt, so wechselt sofort danach wieder die Stimmung, wenn es um die dramatische Rettung von Kate Beckinsale geht. Hätte man sich hier auf eine Laufrichtung festgelegt, hätte man sicherlich einen viel besseren Film schaffen können, der nicht ständig versucht komplett sämtliche auch nur ansatzweise denkbaren Elemente aufzufahren, damit am Ende kein Zuschauer denkt, dass er sich das Ganze wohl anders vorgestellt hat. Dies sorgt aber leider auch dafür, dass das Werk ziemlich überfrachtet wirkt.

Gerettet wird das Ganze dann auf jeden Fall von den zum größten Teil guten Darstellern sowie der tollen Cinematographie von Barry Ackroyd, der nicht nur für den ansonsten überbewerteten „Hurt Locker“, sondern auch noch für Paul Greengras „Green Zone“ eindrucksvoll hyperreale Bilder schuf, die sowohl einen guten Schuss Realismus, als auch Dreckigkeit transportieren, um dem Geschehen die nötige Bodenhaftung zu geben.

Wenn der Film dann – mit einer abermals überraschend humorvollen Pointe – sein Ende findet, hat man sicherlich nicht seine letzten 109 Minuten mit diesem Werk verschwendet. Nette Popcornunterhaltung ist das Ganze geworden, aber eben nicht mehr. Die immer weiter um sich greifende Hollywood-isierung hat leider abermals dafür gesorgt, dass „für Jeden etwas“ im Streifen ist, was aber natürlich dafür sorgt, dass er komplett leider für niemanden auf ganzer Linie überzeugen kann. Abschließend ist es wohl auch durchaus noch ein Lob wert, dass hier nicht versucht wurde, noch mit einer weiteren PG-13 Jugendfreigabe noch mehr Zuschauer ins Kino zu kriegen, so dass ab und an gut geflucht wird und ab und an auch noch intensivere Momente auf der Leinwand erscheinen, obwohl es sicherlich leicht möglich gewesen wäre, diese Momente noch für eine niedrigere Freigabenbewertung abzumildern. So kann man mit einem leicht zugedrückten Auge von einem etwas überdurchschnittlichen Film reden, der aber wohl maximal so lange in den Köpfen der Zuschauer bleiben wird, bis diese wieder die kühle Luft vorm Kino einatmen. Denn für alles Andere ist die „Contraband“ einfach viel zu 08/15…

Doppel-Remake-Bonus-Absatz

Vielleicht erinnern sich einige Freunde von Filmen jenseits der 90er auch noch an einen kleinen, aber feinen Lucio Fulci-Gangsterstreifen namens „Syndikat des Grauens“. So war dessen Namen in Amerika „Contraband“ und handelt, oh Schreck, davon, dass ein „Schmuggler-König“ in den Krieg zog, weil böse Buben die ihrerseits böse Drogen schmuggeln wollten, Probleme bereiten. Witzigerweise beginnt dieser alte „Contraband“ genauso wie der neue mit der weiten See und darauf fahrenden Schnellbooten, hat aber insgesamt bis auf die grobe Handlung wenig mit dem Wahlberg-Vehikel gemeinsam (obwohl bei beiden Titeln ebenso die Frau der Hauptrolle nachher zum Ziel der Vergeltungsschläge der Drogenfieslinge wird). Anno dunnemals, wo das „Syndikat des Grauens“ hierzulande auf VHS erschien, waren die Leute, besonders jene die etwas gegen härtere Filme hatten, dann auch so erschreckt, dass sie den Streifen gleich beschlagnahmten. Aus heutiger Sicht ist dies ziemlich lächerlich, wenn man sich mal einige aktuelle Actionstreifen anschaut.
Überraschendweise ist die alte „Contraband“ sogar deutlich fokussierter, flotter und in sich runder, als der neue Hollywood-Streifen. Wer also Lust hat einen ähnlichen Film aus der „guten alten Zeit“ zu sehen, bei dem auch manches Mal gern blutig die Konkurrenz aus dem Weg gehebelt wird, dem sei an dieser Stelle das „Original“ empfohlen. Am besten auf der heimischen Couch mit ein paar Freunden, was wohl dann sogar etwas billiger sein könnte, als dabei zuzuschauen, wie Mark Wahlberg und andere Hollywood-Darsteller einen Film ins Kino hieven, der mit weniger großem Budget wohl schlicht und ergreifend im Videothekenregal verschwunden wäre.
Oder sollte man lieber sagen „trotz allem verschwinden wird“?

Filmbewertung: 6/10 (mit einem zugekniffen Popcorn-Kino-Auge)