Sucker Punch

Sucker Punch
Originaltitel: Sucker Punch – Erscheinungsjahr:2011 – Regie: Zack Snyder

Darsteller: Emily Browning, Abbie Cornish, Jena Malone, Vanessa Hudgens, Jamie Chung, Carla Gugino, Jon Hamm, Scott Glenn, Oscar Isaac, Vicky Lambert, Ron Selmour, Michael Adamthwaite

Filmkritik: Die junge Baby Doll (Emily Browning) wollte eigentlich nur ihren sadistischen Stiefvater davon abhalten, ihre Schwester und sie zu missbrauchen, aber aufgrund unglücklicher Umstände ist plötzlich sie als irre gebrandmarkt und in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. Dort droht ihr, abgesehen vom sadistischen Wächter Blue (Oscar Isaac) ein noch schlimmeres Schicksal, nämlich eine Lobotomie, die von einem Arzt (Jon Hamm) in fünf Tagen vorgenommen werden soll. So verliert sie die Erinnerungen an die Geschehnisse und wird zur gefügigen, seeltenlosen Hülle.
Doch mit ihrer Einbildungs- und Vorstellungskraft sprengt Baby Doll alle Grenzen, und sie verwandelt die Anstalt in ihrem Kopf in einen phantastischen Nachtclub, in dem die Insassinnen als Tänzerinnen von der harten Dr. Gorski (Carla Gugino) gedrillt und trainiert werden. Doch aufgeben ist keine Option und Baby Doll sichert sich die Hilfe von vier Mitstreiterinnen, um fünf geheimnisvolle Objekte zu finden, die sie vor ihrem schlimmen Schicksal bewahren können. Gemeinsam mit Rocket (Jena Malone) , Blondie (Vanessa Hudgens), Amber (Jamie Chung) und Sweat Pea (Abbie Cornish) muss sie sich durch phantastische Welten voller riesiger Samurais, Zombie-Soldaten, Drachen und Orks kämpfen, geführt von den Ratschlägen und Hinweisen eines weisen Mannes (Scott Glenn)…

Was haben sich die US-Kritiker doch die Mäuler zerrissen über „Sucker Punch“. Und auch in Deutschen Foren und Filmseiten kommt der Film nicht allzu gut weg. Spiegel.de straft den Film ab und auch einige andere „namhafte“ Seiten lassen nur wenig Gutes an dem Werk. Zu Recht? Mitnichten!
Unkonventionelle Werke haben es ja generell schwer, besonders in der heutigen Zeit. Wirklich problematisch wird es aber dann, wenn ein Film im Vorfeld Massenkompatibilität und „Hirn-Aus“-Mentalität versprüht und die Unterhaltungssuchenden dann vor den Kopf gestoßen werden, weil der Film dies eben doch nicht ist. Da ist dann schnell mal der Film Schuld.
Mit „Sucker Punch“ lässt Regisseur Zack Snyder sein erstes komplett eigenständiges Werk auf die Zuschauerschaft los. Mit einem Remake und 3 Comic/Kinderbuch Verfilmungen, die alle soweit als sehr gelungen bezeichnet werden können, kann Mr. Snyder auf eine ordentliche Filmografie zurückblicken, mit welcher er es sich redlich verdient hat nun seine eigene Idee bzw. sein eigenes Drehbuch und seine eigene Vision auf die Leinwand zu bannen.

„Sucker Punch“ ist ein Fest für die Sinne. Der Film feuert selbst auf der ersten Ebene, der eigentlichen „Realität“, ein beeindruckendes Setdesign ab, das seinesgleichen sucht. Snyder wusste genau was er wollte und wie „seine Welt“ auszusehen hat und setzt diese beeindruckend und unglaublich Atmosphärisch um. Der Film beginnt mit einer, ein wenig an ein Musikvideo erinnernde Sequenz, in der die kleine Baby Doll ihr weiteres Schicksal von ihrem Stiefvater besiegelt bekommt. Unterlegt mit einer tollen Coverversion des Eurythmics Songs „Sweet Dreams“ schafft es dieser Beginn, der mich im Kino nach den Trailern sehr plötzlich überrascht hat, den Film gelungen zu öffnen und die weitere Marschrichtung klar vorzugeben. Bin ich doch sonst kein wirklicher Fan von Coversongs, gefielen mir auch die weiteren Coversongs in „Sucker Punch“ überraschend gut. Will heißen, der Film hat einen starken Soundtrack, der teils gar von den DarstellernInnen eingesungen wurde.

Nachdem Baby Doll in die Anstalt eingewiesen wurde beginnt Snyder langsam damit die Zügel der Realität ein für alle Mal hinter sich zu lassen. Baby Doll lässt ihre Gedanken schweifen und man mag sich gar nicht ausmalen, was sie in der Realität alles ertragen muss, wenn man sieht was die Realität aus den Gedanken dieses kleinen Mädchens gemacht hat.
Doch in ihren Gedanken ist Baby Doll kein hilfloses kleines Mädchen mehr. Sie wird zur waffenstarrenden Amazone die es mit jedem Feind aufnehmen kann und sei er noch so stark und groß.

„Sucker Punch“ ist durchzogen von Erotik und Sex. Baby Doll setzt ihre Reize in einem Tanz ein(den man nie sieht) um alle Männer im Bordell bzw. in der Anstalt abzulenken. Während des Tanzes stellt sie sich vor, wie sie mit ihrem Team die Artefakte aus den Händen von ganzen Herrscharen von Monstern entreißt, schreckliche Gestalten von denen sie in der Realität umgeben ist.
Snyder baut sehr viele interessante Verkettungen in den Film ein und die Ebenen des Films sind alle untereinander verbunden, mal etwas zu offensichtlich doch meist herrlich dezent und unterschwellig.

Doch Snyder gelingt es leider nicht seine Charaktere interessant genug zu platzieren. Man hat ganz arge Probleme sich in die Figuren hineinzuversetzen bzw. mit den Charakteren zu gehen. Hauptcharakter Baby Doll ist naturgemäß noch am besten ausgearbeitet, aber eine echte Hauptfigur mit einer derartigen Vergangenheit sollte doch mehr Substanz haben. Die restlichen Damen werden so gut wie gar nicht thematisiert, dementsprechend kurios und inhaltslos verlaufen einige Gespräche des Teams.
Auch auf Seite der Bösewichte hat Snyder arge Probleme wirklich überzeugende Feindbilder zu erschaffen. Die Grenzen zwischen gut und böse sind sonnenklar, denn hier ist Snyder schon etwas zu deutlich, aber wirklichen Bösewicht Charakter hat keiner im Film, nicht einmal Baby Dolls Vater.

Dabei ist Snyder insgeheim die meiste Zeit so herrlich subtil, das es eine wahre Freude ist. Nach außen hin ist „Sucker Punch“ ein großes Spektakel ohne viel Nährwert und Sinn, aber wenn man nur einen kleinen Blick hinter den Vorhang wirft, tun sich allerhand interessante Facetten und Ebenen auf, die dem Film eine Substanz verschaffen, die in diesem Genre nicht viele Filme in letzte Zeit erreicht haben. Snyder perfektioniert quasi das „Substance via Style“, er schafft es viel zu vermitteln und dabei niemals das Kunstwerk seines Schaffens aus den Augen zu verlieren. Doch auf der anderen Seite kann dieser Schuss auch nach hinten losgehen bzw. ist es sogar so gekommen, denn man kann „Sucker Punch“ eben auch als plattes Actionbrett sehen, und einzig auf dieser Ebene gesehen, ist der Film weniger überzeugend.

Um die Brücke zu „Inception“ noch einmal zu schlagen. Hätte Snyder seine Filmlogik derart toterklärt wie es Christopher Nolan in „Inception“ praktiziert hat, wäre "Sucker Punch" vor allem eins gewesen: Massenkompatibel. Doch Snyder hat davon abgesehen und das ist auch gut so.
Natürlich, „Sucker Punch“ hat klare, gar offensichtliche Schwächen die den Filmgenuss ein wenig trüben. Neben den wirklich flachen Figuren nutzt sich auch die, wirklich sehr kreative Action, mit der Zeit ein wenig ab.
Aber wenn der Film zum Finale ansetzt ist all das vergessen und man blickt zurück auf eine faszinierende Vision von Zack Snyder.

Filmbewertung: 7/10