Virus – Hölle der lebenden Toten

Hölle der lebenden Toten
Originaltitel: Virus – Erscheinungsjahr: 1980 – Regie: „Vincent Dawn“ (Bruno Mattei)

Darsteller: Margit Evelyn Newton, Franco Garofalo, Selan Karay, Robert O’Neil, José Gras, Gaby Renom, Josep Lluís Fonoll u.A.

Filmkritik: „Man muss schon eine gehörige Portion Selbstverleugnung und Leidenfähigkeit mitbringen, um diesen Film bis zu seinem Ende durchzustehen und ich frage mich, was im Innersten der Kritiker und Zuschauer wohl vorgehen mag, die dieses Machwerk zu ‚einem der unterhaltsamsten seiner schlecht beleumundeten Zunft’ erklären.“ schreibt Autor Detlef Klewer in seinen „Zombie Chronicles“.

Was also bringt jemanden, wie etwa ganz speziell mich in diesem Fall, dazu, Bruno Matteis „Hölle der lebenden Toten“ erst einmal mit der wahnwitzig hoch erscheinenden
Filmbewertung: 9/10
zu versehen? Also, fangen wir mal ganz am Anfang an:

„Wir hatten zwei Drehbücher. Eines mochte ich, und das Andere haben wir dann verwendet!“

gibt Regisseur Bruno Mattei an, als er nach der Schaffensgeschichte des im Original „Virus“ genannten Films gefragt wurde. Das nun verwendete Skript ist von Claudio Fragasso, einem damals noch extrem jungen Filmenthusiasten, der im gleichen Jahr beim Nunploitationstreifen „Das süße Leben der Nonne von Monza“ bereits mit Mattei zusammengearbeitet hat und von da an immer wieder mit dem zynischen RipOff-Maestro zusammenarbeiten sollte. Fragasso selbst, der zwar eine unleugbare Faszination für Filme aller Art, aber leider ebenso an einer massiven Selbstüberschätzung leidet, wollte mit seinem Drehbuch eine Art „Apocalypse Now“ des Zombiefilms entstehen lassen. Er wollte eine endzeitliche Schreckensvision herausbeschwören, welche die westliche Welt im Kampf mit Heerscharen Dritte-Welt-Zombies zeigt, welche sich der kapitalistische Westen in seinem Übermut selbst herangezüchtet hatte. So weit die Idee, die beim fertigen Film dann aber statt Grausen eher Grinsen hervorruft.

„In Italien während den späten 70er bis Mitte der 90er fragten die Filmproduzenten nicht: ‚Wie wird der Film nachher aussehen?’, sondern ‚Wie welcher Film, wird der Film nachher aussehen?’“ zitierte der amerikanische Filmgelehrte Ed Glaser einen Regisseur aus dem Land. Bruno Mattei muss in diesem Fall wohl einfach angegeben haben: „Dawn Of The Dead, Sir!“ Denn bei der die Hauptfiguren einleitenden Actionsequenz, in der mehrere Swat-Mitglieder eine Botschaft befreien, sind die Parallelen selbst für blinde Zuschauer unübersehbar: blaue Ganzkörperanzüge, Gasmasken und über allem thront die über jeden Zweifel erhabende Goblin-Musik aus „Dawn Of The Dead“ (und „Astaron“). Denn irgendwie haben ein paar zwielichtige Produzenten gemeint, sie hätten die Rechte an dem Soundtrack und haben ihn schlicht und ergreifend hier noch mal wiederverwertet. Dass „Goblin“ dagegen sogar strafrechtlich vorgehen wollte, soll man als Abschluss für die Frage nach den Rechten herhalten.
Bis auf den ziemlich exakt kopierten Anfang verliert sich jedoch schnell die große Nähe zum Vorbild und die Handlung geht ihre eigenen Wege, ganz im Gegenteil etwa zu etlichen von Matteis späteren Werken wie etwa „Contaminator“, der eine ziemliche 1:1 Kopie von Camerons „Aliens“ ist

„Wir wollten euch doch nur helfen, nun werdet ihr alle sterben!“

meint der sterbende Terrorist, der die Botschaft eingenommen hat. Eigentlich wollte der Missverstande ja nur auf eine Katastrophe in Afrika hinweisen, denn eine amerikanische Forschungsstation, die eigentlich den Hunger in der dritten Welt bekämpfen wollte, hat aus versehen einen tödlichen Virus auf die Einheimischen losgelassen der, ja, richtig, die Menschen in Zombies verwandelt.

Also wird schnurstracks die Vierergruppe aus rassistischen Wirrköpfen, welche gerade noch die Botschaft befreit hat, hinterher geschickt um den Schlamassel aufzuräumen. Auf dem Weg treffen sie dann noch weitere Reporter und anderes Kanonenfutter…

….haha, oh man. Schon bei der Botschaftserstürmung entwaffnen die „Helden“ erst einen Mann, bevor sie ihm die Kehle durchschneiden, reißen die ganze Zeit fiese Witze und lassen auch nachher in Afrika nichts anbrennen. Großartig ist vor allem Franco Garofalo, der den Durchgeknalltesten, aber auch gleichzeitig Cleversten der Gruppe darstellt. So ist er auch de Einzige, der von der einen zur anderen Szene behält, dass man den Zombies ja in den Kopf schießen müsse. Und genau das ist der Ansatzpunkt, warum Matteis „Virus – Hölle der lebenden Toten“ einfach so viel Spaß macht und warum jeder Zombiefreund ihn zumindest einmal gesehen haben sollte:

Der beste, schlechteste Zombie-Film aller Zeiten

Dämlich-selbstmordhaftes Figurenverhalten? Permanentes auf-den-Bauch-statt-in-den-Kopf-Schießen? Merkwürdiges Zombiebenehmen, das eher dem Splatter-Anteil als der Handlung zuträglich ist? Übertrieben-unrealistische Splattereffekte? Diese und noch viel mehr Elemente eines schlechten Zombiefilms werden hier alle aufgefahren. Angefangen bei sinnlosen aber hübsch eingefügten Tieraufnahmen, über einen Mittelteil, der mal eben fünfzehn Minuten Doku-Material zur Streckung in den Film quetscht, bis hin zu einem abrupten Cliffhangerende mit pseudo-Moral, „Virus“ hat einfach alles. Und das Beste dabei:

Der sichtliche Spaß an der Übertreibung, den Mattei hier vorlebt. Das geht so weit, dass ein Swat-Mitglied mit Tütü und Spazierstock „Singing in the rain“ nachtanzt, bevor in einem eigentlich menschenleeren, abgeschlossenen Raum Horden von Zombies über ihn herfallen. „Surreal“ wäre da wohl das angebrachte Worte, aber zu diesem Zeitpunkt hinterfragt man das Geschehen schon nicht mehr, sondern verfolgt bereits mit fassungsloser Begeisterung das Gezeigte und fragt sich maximal, welchen Quatsch oder spaßigen Nonsens der Bruno gleich wieder aus dem Ärmel zieht.
Nachdem ihm das verwendete Drehbuch ohnehin nicht gefiel, „haben wir uns einfach bemüht Spaß mit dem Film zu haben“, gibt der Regisseur in einem Interview an und eben das überträgt sich im Anschluss dann auf den Zuschauer, solange dieser zumindest etwas offen ist für solche Kaspereien.

„Die Pistole war gar nicht geladen. Hahaha…. BUMM!“

Es ist verständlich, warum manch humorloser Geselle diesem „Virus“ wenig abgewinnen kann, der eigentlich das Prädikat: „In der Gruppe gucken und abfeiern!“ verdient hätte, bei all den verschiedenen Szenen, die man kommentieren und dabei viel lachen kann. Die „Hölle der lebenden Toten“ hat den Vorteil zwar inhaltlich ziemlich gehirntot zu wirken, während dabei aber die Inszenierung, bis auf ein, zwei Momente flüssig und als auch durch den verwendeten Goblin-Soundtrack ziemlich schmissig wirkt. Der Film ist billig inszeniert, keine Frage, aber eben auch nicht unbedingt billiger als all die anderen italienischen „Dawn Of The Dead“-Nachfolger.

Und besonders der Punkt, dass Mattei sein Werk selbst nicht ansatzweise ernst genommen hat, kommt in jeder Szene zum tragen und bringt in Verbindung mit allen Beteiligten, für die anscheinend der Dreh auch eine ziemliche Party gewesen sein dürfte, dieses Trashmachwerk auf ein ganz neues Level. Wie schon gesagt, Bruno Matteis „Hölle der lebenden Toten“ ist der beste, schlechteste Zombiefilm aller Zeiten.

Gerade in der heutigen Zeit wo so filmische Ausfälle wie „The Room“ oder auch „Troll 2“, bei dem witzigerweise Claudio Fragasso alleine für Drehbuch- und Regiezuständig war, als partytaugliches Kulturgut in den Himmel gelobt werden, sollte gerade der „Hölle der lebenden Toten“ gerechterweise mehr Aufmerksamkeit zuteil werden. Denn was Abgedrehtheit und puren Blödsinn angeht, hat Mattei auf jeden Fall die Nase verdammt weit vorne. (Auch wenn er hier einmal mehr eigentlich nicht erkannt werden wollte und sich deshalb in den Credits das „subtil“ an die Vorlage erinnernde Pseudonym „Vincent Dawn“ gegeben hat, welches er von da an noch etliche Male für verschiedenste Genre-Werke benutzen sollte.)

Was war jetzt mit Selbstverleugnung und Leidensfähigkeit?

Um also abschließend wieder den Bogen zu dem Zitat von Spaßbremse Klewer zu finden: Nein, masochistische Tendenzen braucht man für eine Sichtung des Films nun wirklich nicht, sondern schlicht die Fähigkeit, beim Anschauen sowohl gleichzeitig über als auch mit dem Streifen lachen zu können. Denn besseren Blödsinn gibt es halt im Zombiegenre kaum zu bestaunen. „Virus“ ist, was das angeht, liebe Leser, schlicht und ergreifend die absolute Höchstmarke. Und ich habe nach dem Schreiben dieses Textes sofort wieder Lust bekommen, diesen mit kruden Ideen randvollen Trashklassiker mal wieder in den Player zu werfen. Wenn ihr mich also nun entschuldigen würdet…

(…auch wenn die BPjM so etwas wohl vermeintlich verhindern wollte, denn wie eigentlich fast jeder halbwegs bekannter Zombiestreifen aus den 80ern ist natürlich auch die „Hölle der lebenden Toten“ sowohl in seiner damaligen, um etwa eine viertel Stunde Handlung erleichterten Kinofassung, wie auch in der nachher auf DVD komplett ungeschnitten veröffentlichten Version, beschlagnahmt worden. Spielverderber.)