Hitchcock

Hitchcock
Originaltitel: Hitchcock – Erscheinungsjahr 2012 – Regie: Sacha Gervasi

Darsteller: Anthony Hopkins, Helen Mirren, Scarlett Johansson, Danny Huston, Toni Collette, Michael Stuhlbarg, Michael Wincott, Jessica Biel, James D’Arcy, Richard Portnow, Kurtwood Smith, Ralph Macchio, Kai Lennox

Filmkritik: Als Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) das Buch Psycho in die Hände fällt, ist er überzeugt, einen grandiosen Filmstoff entdeckt zu haben, doch die Filmbranche ist skeptisch. Unterstützt durch seine Frau Alma (Helen Mirren) beschließt er, das Projekt dennoch zu wagen und den Film aus eigener Tasche zu finanzieren. Nach vielen Anstrengungen und mit Almas Rat kann Hitchcock schließlich die Dreharbeiten mit Janet Leigh (Scarlett Johansson), Vera Miles (Jessica Biel) und Anthony Perkins (James D’Arcy) beginnen.

„My only wish is that Ed Gein looked a little more like William Holden instead of Elmer Fudd.”

Jeder Hitchcock Fan nahm die News einer Verfilmung über den „Master of Suspense“ mit Begeisterung auf. Hitch, dargestellt von Anthony Hopkins während der Dreharbeiten zu einem seiner größten Filme („Psycho“). Das muss eine sichere Bank sein. Und ja, „Hitchcock“ ist ein sehr guter Film, auch oder gerade für Fans des teilweise exzentrischen Filmemachers. Doch der Film verschenkt in seinen knapp 100 Minuten doch noch einiges an Potential.

Die ersten 30 Minuten in „Hitchcock“ sind schlicht fantastisch. Man fühlt sich bereits nach wenigen Minuten in der Rolle des stillen Betrachters, der Hitch bei seiner Arbeit über die Schulter schaut, pudel wohl.
Hopkins füllt die Rolle mit derartig viel Elan und Freude aus, dass sich diese Begeisterung auch problemlos aufs Publikum überträgt. Man freut sich auf die Dinge die da kommen, das „Making of Psycho“ und all die Probleme vor, während und nach dem Dreh.

Doch der Film verliert immer wieder seinen eigentlichen Fokus. Zunächst vom Dreh zu „Psycho“ und schließlich auch weg von Hitchcock als Filmemacher. Es geht um Eheprobleme zwischen Hitch’s Frau Alma, seine Eifersucht, seine Pseudo-Affären mit seinen Hauptdarstellerinnen und Almas starke Einflüsse auf sein Filmemachen. Und dann sind da noch die seltsam wirkenden Einschübe, in denen Hitchcock sich Ed Gein einbildet, mit ihm Dialog führt und teils scheinbar gar um seinen Rat bittet.

„Is this still a picture about a queer killing people in his mother’s dress?”

Ohne Frage, „Hitchcock“ ist trotzdem ein teilweise einfach fantastischer Einblick in die Art und Weise wie der berühmte Regisseur sich gab, wie er auf seine Umwelt wirkte und wie er arbeitete. Doch es wirkt teilweise so, als sei nach dem Dreh ein Produzent gekommen und hätte gesagt:“Wer schaut sich einen Film nur über Dreharbeiten und Eheprobleme an? Wir sollten noch irgendwas anderes haben“. Daraus entstanden dann wohl schließlich die seltsam anmutenden Ed Gein Szenen.
So ganz kann „Hitchcock“ dann seinem Titel nicht gerecht werden. Zum einen zeigt der Film nur einen ganz kleinen Teil seines Schaffens (wobei der Titel einen Biografie suggeriert), zum anderen ist der Film selbst dabei zu unfokussiert, bemüht sich immer wieder seiner Frau den Anteil an seinem Schaffen zu geben, den sie scheinbar auch hatte, doch verliert dabei einfach immer wieder den Menschen aus dem Fokus, wegen dem sich der Großteil der Zuschauer den Film ansieht.

“Ooh, you imp, you got nudity in there!”

Immer dann wenn „Hitchcock“ hinter die Kulissen blickt, dem Zuschauer den Einblick gibt den er von der Person Alfred Hitchcock nie hatte, spielt der Film zusammen mit seinem großartigen Hauptdarsteller in der obersten Riege der Biografie-Verfilmungen. Doch in den Szenen die nicht so recht passen wollen, ertappt man sich immer wieder dabei abzuwarten, wann der nächste Einblick hinter die Kulissen kommt, sei es hinter Hitch’s Persönlichkeit oder seinen Film. Nur beim eigentlichen Film ist man dann gedanklich nicht mehr.

Neben Hopkins sind auch die restlichen Rollen des Films exzellent besetzt. Hellen Mirren als Ehefrau Alma ist ebenfalls eine quasi perfekte Besetzung und auch Scarlett Johansson als Janet Leigh ist gut getroffen. Herrlich augenzwinkernd ist zudem die Besetzung von Kurtwood Smith als Vorsitzender der Zensurbehörde. Augenzwinkernd deswegen, weil Smith einst u.a. in „Robocop“ mitgespielt hatte, ein Film der selbst einige Schwierigkeiten mit der Zensur hatte.

“I do not want music over the shower murder scene.”

Sind viele Kinofilme heute um 20 oder gar 30 Minuten zu lang, ist „Hitchcock“ einer dieser Filme, die eindeutig zu kurz sind. Den Filmdreh zu „Psycho“, die Person Alfred Hitchcock und die ebenfalls nicht uninteressanten, wenn auch nicht immer passend eingebauten Eheprobleme unter einen Hut zu bringen und kein Thema zu vernachlässigen, kann man in 100 Minuten einfach nicht schaffen. So wird zu Beginn noch recht detailliert auf die Entstehung von „Psycho“ eingegangen (Finanzierung, andere Angebote), doch im weiteren Verlauf nimmt dies zu sehr ab. Es wird nicht mal mehr erwähnt, dass Hitchcock „Psycho“ wieder in Schwarz/Weiß gedreht hat.

Es erscheint etwas enttäuschend, dass aus der großartigen Filmidee nicht das komplette Potential geschöpft wurde, denn in jeder Szene merkt man, dass dies durchaus möglich gewesen wäre. Der generelle Filmstil, die Kamera, die Darsteller, das Drehbuch. Unter der Regie von Sacha Gervasi („Anvil! The Story of Anvil“) ist ein faszinierendes Grundgerüst entstanden und im Prinzip sind alle Faktoren perfekt, es ist schlicht zu wenig Platz im Film um alle interessanten Fakten einzubauen. Damit reicht es nur zur:

Filmbewertung: 7/10