Suspiria (2018)

SUSPIRIA
Originaltitel: Suspiria – Erscheinungsjahr: 2018 – Regie: Luca Guadagnino

Erscheinungstermin: Ab dem 15. November im Kino

Darsteller: Chloë Grace Moretz, Tilda Swinton, Doris Hick, Malgorzata Bela, Dakota Johnson, Angela Winkler, Vanda Capriolo, Alek Wek, Jessica Batut, Elena Fokina, Mia Goth, u.A.

Filmkritik: Ein Remake von Dario Argentos SUSPIRIA? „Muss das sein? Kann das überhaupt klappen?“ waren meine ersten, spontanen Gedanken. Die Trailer machten mich auch nicht sonderlich zuversichtlicher. Dann kam heraus, dass der Streifen gut zweieinhalb Stunden dauerte. Meine Augen verdrehten sich. Was sollte das Ganze?
Dann kam die Nachricht, dass Quentin Tarantino den Film gesehen hatte und weinen musste vor Rührung. „Was für ein Schwachsinn“, kam mir in den Sinn, bis ich dann den Streifen selber erleben konnte und während zwei Szenen mit feuchten Augen vor der Leinwand saß.

Junge Frauen in den Krallen des Terrors

Argentos Arbeiten drückten sich immer schon am meisten durch seine Inszenierung aus, während die Figuren innerhalb seiner Geschichten oft zweidimensional und fragmenthaft blieben. Luca Guadagnino ist zwar ein versierter Regisseur, kitzelte für seine Neuauflage des Werkes aber andere Qualitäten aus dem gleichen Ansatz heraus: Immer noch haben wir eine junge Frau, die Tanz studieren will und dabei auf eine Gruppe von Hexen trifft, die eine Kunst-Akademie leiten. Guadagnino verlegt dabei seine Geschichte in das Berlin der ausgehenden 70er Jahre und macht gleich die Stadt selbst zu einem Protagonisten.

In den Wirren des RAF-Terrors und während eines nassen Herbsts und kalten Winters wird nicht nur die Seele der Tänzerin, der Künstlerin freigelegt, sondern auch die von Berlin selbst. Ständige Radiodurchsagen sprechen von grauenvollen Ereignissen, während im inneren der Akademie die grauenvoll-übernatürlichen Vorgänge ihren Lauf nehmen.

ACHTUNG: Wer findet, dass sich das interessant anhört, der sollte sich den Film mit so wenigen Informationen wie möglich ansehen. Hier ist – wie bei Argento zuvor – das eigentliche Erleben des Streifens im Kinosaal das Wichtigste. In diesem Sinne: Viel Spaß! Entweder im Lichtspielhaus, oder beim weiteren Lesen des Textes.

Eintauchen in die Welt der Weiblichkeit

Bei den Darstellerinnen wird es etwas wild, denn Tilda Swinton spielt nicht nur die Vize-Leiterin der Tanzschule, sondern auch – allem Anschein nach – einen alten Psychiater und sogar die böse alte Hexe im Keller des Instituts. Warum dem so ist, wirkt teilweise wie wild herbeifabulierter Kunst-und-Gender-Theorie-Nonsens von Seiten der Macher, ist aber vor allem eins: Unglaublich beeindruckend.
Die anderen Akteurinnen stehen dem in nichts nach und transportieren die generell sehr feminine Stimmung des Werks gekonnt. Dabei wird sowohl das „Gute“, wie auch das „Schlechte“ der Weiblichkeit beleuchtet, denn innerhalb des Hexenzirkels regiert oftmals die Gewalt.

Diese ist genau so pointiert eingesetzt, dass sie konsequent erschreckend und intensiv wirkt, ohne schließlich bei jenem bonbonbunte und wild inszenierte Spektakelkino anzukommen, das Argento gerne inszenierte. Exakter, abgeklärter, aber nicht weniger kunstvoll präsentiert Guadagnino einen vielschichten Abstieg, der sich verschiedener Themen annimmt: Verlangen, Abhängigkeit, Sehnsucht und, natürlich, der Angst.

Die mögliche Probleme mit solch einem Epos

Die deplatziert wirkende Song-Wahl für die Anfangs- und Finalsequenz des Streifens hätte nicht unbedingt sein müssen. Und wenn man direkt vor dem Film eine Texttafel mit der Aufschrift: „Suspiria, ein Film in sechs Akten plus Epilog“ zu sehen bekommt, vermittelt das Ganze dann die extra Spur an prätentiöser Selbstverliebtheit, die glücklicherweise bei der eigentlichen Arbeit größtenteils nicht anzutreffen ist.

Viele kritische Stimmen bei der Pressevorstellung meinten, dass dieses SUSPIRIA-Remake komplett mit zusätzlichen Handlungssträngen und Nebenschauplätzen überladen sei. Diese Empfindung kann ich durchaus nachvollziehen und manchmal wirkt diese „Amazon“-Produktion so, als hätte man eigentlich eine sechsteilige Miniserie geplant gehabt, die man dann zu einem langen Spielfilm verarbeitet hat.
Doch im Endeffekt sind es eben die vielen Randerscheinungen, die (Zeit-)Zeugen und vielen kleinen Momente, die Luca Guadagninos Arbeit zu etwas Besonderem machen, ohne sie würde sein Werk in sich zusammenfallen.

Fazit: Berührend, packend, intensiv und zu keinem Moment langweilig. Selten hat es mich mehr gefreut, dass meine anfänglichen Ängste von einem fertigen Streifen nicht bestätigt wurden. Diese Neuauflage ist ganz anders als das „Original“, wobei dieses Wort in diesem Kontext schon regelrecht falsch wirkt, denn Guadagninos Film wirkt vor allem wie eine Neuinterpretation.
SUSPIRIA sollte man am besten auf der großen Leinwand erleben. Und das ist dann schon wieder eine Sache, die er mit seinem Vorgänger gemeinsam hat. Filmbewertung: 8/10.

 

P.S.: Wer wissen will, was mir die Augen feucht gemacht hat: Ich sage nur „Wiedertreffen“ und „Epilog“.