Willkommen bei den Hartmanns

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Willkommen bei den Hartmanns
Originaltitel: Willkommen bei den Hartmanns – Erscheinungsjahr: 2016 – Regie: Simon Verhoeven

Erscheinungstermin: Jetzt im Kino

Darsteller: Senta Berger, Heiner Lauterbach, Palina Rojinski, Elyas M’Barek, Florian David Fitz, Ulrike Kriener, Uwe Ochsenknecht, Jaymes Butler, Adrian Can, Eric Kabongo, Samir Fuchs, u.A.

Filmkritik: Eine Komödie über die momentane Flüchtlingssituation in Deutschland? Wow, was könnte man nicht aus diesem Thema machen? Eine satirische Momentaufnahme der bundesweiten Befindlichkeit! Eine clevere Abrechnung mit auf beiden Seiten vorhandenen Klischees! Eine gewollt überzeichnete Dramatisierung der Situation, um die Absurdität des Ganzen zu präsentieren!

Oder … ja, oder man dreht einfach zu zwei Dritteln eine „typisch deutsche Komödie“ rund um eine „alltägliche Familie“ mit ihren „alltäglichen Problemen“, in die dann ein Flüchtling hereinplatzt und durch seine bodenständige Art alles ins Lot bringt. Ach du Scheiße. Aber … fangen wir doch am Anfang an!

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„Hey, wollen wir irgendwelche interessanten Themen besprechen?“ -„Ne du, lass lieber mal rumschmachten, dann vergessen die Leute schon, dass wir so gar nichts zu sagen haben!

Der Flüchtling Diallo, fantastisch gespielt von Eric Kabongo, wird von den titelgebenden Hartmanns aufgenommen, weil Mutter Hartmann eine Midlife-Crisis hat, derweil hat Vater Hartmann eine Midlife-Crisis, während Tochter Hartmann die verwirrte Dauerstudentin mit Romantikwünschen spielt und Sohn Hartmann nicht nur die Parodie eines Topverdieners geben darf, sondern dessen Sohn, nennen wir ihn mal „Mini-Hartmann“, oder „Geh weg, ich brech gleich auf den Zuschauer vor mir“-Hartmann.
Mini-Hart ist nicht nur nervig, sondern auch noch zwölf, „voll cool, ey“, sein Vater interessiert sich nicht für ihn (was man ihm nach fünf Minuten mit dem Kind gar nicht mal übelnehmen kann) und noch dazu will Hart-aber-herzlich-Junior sich auch noch als Gangsterrapper profilieren.
Wenn der Fremdschäm-Knirps da mit seinen vorpubertären Mit-Wiggern als die „Befruchtungszwerge“ ein Hip-Hop-Video – und dessen Oma sagt „Hop-Hip“ (oder so einen Kack) dazu, voll witzig, haha! – aufnimmt, dann darf man schon einmal einen Termin beim örtlichen Dentallabor machen: Zähneknirschen deluxe ist angesagt!

Aber hey, das ist nur die Spitze des braunen Eisbergs – wird reden uns jetzt einmal ein, dass es sich dabei um Schoko-Eis handelt – denn die Frechheit von Drehbuch, die „Willkommen bei den Hartmanns“ anscheinend als „verfilmbar“ angenommen hat, ist eine Zumutung für jeden mit einer funktionierenden Hirnhälfte.
Simon Verhoeven ist das, was man einen „Auftragsknecht“ nennen könnte. Dass er bislang vor allem „typisch deutsche Komödien“ gemacht hat, zeichnet sich dabei auch absolut in seinem auch von ihm verfassten Werk ab.
Übelste Flach-Scherze und Schenkelklopfer-Klischees wechseln sich ab, doch das ist noch nicht einmal das, weswegen man diesem Werk die Aufenthaltsgenehmigung definitiv verweigern sollte! Das Schlimmste ist nämlich, dass FAST jedes Mal, wenn irgend eine Art von „Flüchtlingsthema“ angerissen wird, der Inhalt sofort umschwenkt, um irgend ein lustlos-lahmes Beziehungskomödien-Klischee über die Leinwand zu jagen.

Ach, was war da doch mit sexuellen Übergriffen? Schnell, Stalker-Taxifahrer To The Rescue! Wie jetzt, muslimischer Extremismus? Ach, ne, verkuppeln wir doch lieber die Tochter des Hauses mit Elias M’Ablenkungung. Oh, da wird gerade über den Zustand des Landes geredet? Zwei Plattitüden, äh, Sätze reichen aus, schließlich wollen wir zum voll funny Teil über den Sohnemann kommen, der durch seine Arbeitsbelastung in der Klapsmühle landet. So crazy, ey!

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„Wofür stehen wir eigentlich? Die Deneration des deutschen Kinos, oder die Verdummung der Unterhaltungsindustrie in seiner Gänze?“ -„Wir sind so gut, Heiner, wir schaffen beides!“

Und fast so, als wollte Verhoeven sich nicht nur durch seine Handlung stümpern, sondern sogar noch einen extra Stinkefinger in Richtung des gehirnaktiven Publikums recken, gibt es sogar vereinzelte Sequenzen, die – oh Wunder – durchaus packend sind! Wenn Eric Kabongo sich als Diallo in seiner neuen Wohnung bei den Hartmanns einlebt und plötzlich von Erinnerungen an seine schreckliche Vergangenheit eingeholt wird, oder wenn er – damit das Arschloch-Kind nicht durchfällt – herzergreifend seine Geschichte vor einer Schulklasse erzählt, dann ist „Willkommen bei den Hartmanns“ das, was man sich eigentlich erwünscht hätte. Aber maximal ein Drittel des Geschehens sind eben so. Der Rest ist einfach nur oberflächlich, nervig und sogar auch noch von der Struktur stümperhaft.

Schlimmer geht immer …

Simon Verhoeven schafft es durchaus nette Blickwinkel einzufangen, doch der eigentliche Ablauf des Geschehens würde durch keine Film-Uni kommen. Zwischendurch wirkt es immer so, als würden kleine Momente fehlen. Etwa, wenn Mutter Hartmann aufgelöst nach Hause kommt, weil sie etwas über ihren Mann erfahren hat.

– Mini-Spoiler, aber wen interessierts? Vater Hartmann ist unzufrieden mit seinem Familienleben und wird von seinem Schönheitschirurg-Freund regelrecht dazu getrieben es mit einer hübschen jungen Dame zu, äh, treiben. Doch der Mann heißt zwar „Hart“, aber sein Herz ist doch am rechten Fleck. Dann wird ein Punkt darum gemacht, dass Vater Hartmann kein Facebook-Profil hat, doch dann findet Tochter plötzlich dessen Profil, bei dem er mit allen jungen Dirnen befreundet ist? Das Ganze wirkt so, als hätte Chirurg-Freund das Ganze für Papa Hartmann eingerichtet, doch darüber wird nie gesprochen. Tochter und Sohn reden über dieses Profil und danach in der Szene kommt Mutter aufgelöst nach Hause, weil sie das mit dem Facebook-Profil herausgefunden hat und meint, dass ihr Mann fremdgehen würde. Was?
Es wird nicht mehr aufgeklärt, wer nun das Profil gemacht hat, wie die Mutter das herausgefunden hat, oder was auch immer.

ABER das ist sogar nur ein Beispiel für die furchtbare Struktur. Viel schlimmer ist die Tatsache, dass der sich den Film über ansammelnde rechtradikale Mopp vor der Haustür der Hartmanns nach einem krassen Schnitt im Finale einfach weg ist. Keine Aussprache, keine weitere Konfrontation, es ist einfach weg und niemand hat was gelernt. Das ist aber wahrscheinlich auch das Motto des Films.
Wenn dann abschließend Diallo zusammen mit den Hartmanns vor Gericht für seine Aufenthaltsgenehmigung kämpfen muss, dann findet das KOMPLETT OFFSCREEN AB!
Um es in Worten zu sagen, die Hartmann-Mini-Me-Junior-Befruchtungszwerg versteht: WHAT THE FUCK?!?

Biomarkt. In Diallos Dorf ist alles Bio. Angelika Hartmann (Senta Berger) Diallo (Eric Kabongo)

Und dabei habe ich noch nicht einmal die Tatsache erwähnt, dass bis auf Eric Kabongo alle Darsteller so überkandidelt spielen wie in einer „Family Guy“-Realverfilmung, zwischendurch eine Partyszene mit weiteren „Gags“ kommt, eine Nebenfigur nerviger ist als die andere und so weiter.
Aber eines stimmt: „Willkommen bei den Hartmanns“ ist auf jeden Fall ein „Flüchtlingsfilm“, wenn man danach urteilt, wie viele Pressevertreter einfach nur den Saal verlassen haben während der Vorführung.

Wer „Willkommen bei den Hartmanns“ eine „humorvolle Auseinandersetzung“ mit dem Thema Flüchtlinge beschert, der sollte nicht nur sein Leben überdenken, sondern liegt auch total falsch. Denn das „humorvoll“ trifft nur in Ausnahmefällen zu und der Teil mit der „Auseinandersetzung“ findet, wie anscheinend auch viele andere wichtige Elemente des Geschehens, komplett offscreen statt.

Fazit: Anstatt ins Kino zu gehen, spendet das Geld lieber. Damit sind Alle besser bedient. Ihr verschwendet keine Zeit, den Flüchtlingen wird geholfen und „Willkommen bei den Hartmanns“ wird nicht zu dem Erfolg, der er wohl leider allein wegen seiner Aktualität wird. Ein dermaßen mit der heißen Nadel gestricktes Werk ist schon lange nicht mehr auf der Leinwand zu sehen gewesen. (Dagegen ist die letzte Neuauflage von „Fantastic Four“ sowas wie „Citizen Kane“!)

Filmbewertung: 3/10