Les Misérables

Les Misérables
Originaltitel: Les Misérables – Erscheinungsjahr 2012 – Regie: Tom Hooper



Darsteller:
Anne Hathaway, Russell Crowe, Helena Bonham Carter, Hugh Jackman, Amanda Seyfried, Sacha Baron Cohen, Eddie Redmayne, Aaron Tveit, Samantha Barks, Isabelle Allen, Colm Wilkinson, Marc Pickering

Filmkritik: Obwohl er seine langjährige Haftstrafe verbüßt hat, wird Jean Valjean (Hugh Jackman) über Jahrzehnte vom gnadenlosen Polizeibeamten Javert (Russell Crowe) verfolgt und in den Untergrund getrieben. Nachdem Valjean das Mädchen Cosette (Amanda Seyfried), Tochter der verstorbenen Arbeiterin Fantine (Anne Hathaway), in seine Obhut nimmt, ändert sich deren Leben dramatisch.

Kaum eine Oscar-Verleihung vergeht ohne, dass nicht mindestens eine Musical-Verfilmung unter den Nominierten ist. Dieses, fast ähnlich oft wie der Western schon totgesagte Genre, lebt ebenfalls immer noch munter weiter. Dieses Jahr versucht sich „The Kings Speech“ Regisseur Tom Hooper an „Les Misérables“, dem erfolgreichen Musical von Claude-Michel Schönberg und Alain Boublil.

Hooper, spätestens seit dem erwähnten „The Kings Speech“ in der obersten Garde der Filmemacher angelangt, kann sich quasi aussuchen wen er in seinen Filmen haben will. Da wundert es nicht, dass er für sein Musical nur Schauspieler mit Rang und Namen bekommen konnte. Hugh Jackman, der bereits als Host bei den Oscars sein Gesangstalent beweisen konnte, mimt hier Jean Valjean und spielt somit die Hauptrolle. Dazu gesellen sich Russel Crowe als Antagonist, Anne Hathaway als schwer gepeinigte Arbeiterin und Nebendarsteller wie Sacha Baron Cohen und Helena Bonham Carter, die beide durch „Sweeney Todd“ ja bereits Muscial-Erfahrung vorweisen können. Auch Eddie Redmayne, bekannt aus dem letztjährigen „My Week with Marilyn“ als Marius ist erwähnenswert.
Doch können die Geschichte und das Drum-Herum bei all diesen Namen auch mithalten?

Kurze Antwort: Ja. Das mit etwas mehr als 150 Minuten noch recht kurz daher kommende Muscial (geplante waren mal 4 Stunden, letztlich wurden nur knapp 15 Minuten herausgeschnitten) besteht fast gänzlich aus Songs (lediglich wenige Sätze werden ohne Melodie gesprochen), weswegen sich irgendwann ein schöner Rhythmus einstellt, der dafür sorgt das der Zuschauer förmlich vom Film mitgerissen wird. Längen in der Erzählung gibt es trotz der nicht immer ganz astreinen Geschichte, die Naturgemäß einige Klischees und Stereotypen enthält, somit fast nie, einzige einige dramaturgische Schwächen umschifft das Drehbuch nicht sondern hält voll drauf zu. Dazu gehören zuweilen recht abrupte Szenenwechsel und Stimmungsbrüche und einige Rivalitäten werden nicht allzu lange erörtert sondern müssen als gegeben hingenommen werden.

Ein Teil der dramaturgischen Schwächen kanalisiert sich zu Beginn zudem in der zuweilen groß und breit gelobten Anne Hathaway, die mit ihrer Darstellung der Fantine, die zunächst ihren Job verliert und später ihren Körper verkaufen muss, nicht wirklich den Nerv der Rolle trifft. Störendes Overacting, das den Geist und die Seele der Figur zugunsten einer zu gewollt kraftvollen Performance unter den Teppich kehrt, wird der Dramatik des Charakters zu keiner Zeit gerecht und man ist regelrecht erleichtert wenn die Figur recht früh im Film nicht mehr dabei ist. Die Nominierung ist nicht unverständlich, jedoch trotzdem nicht wirklich verdient.

Das restliche Ensemble hebt sich ebenfalls weit von dieser unpassenden Darstellung ab. Hugh Jackman überzeugt als geläuterter Dieb, Russel Crowe geht, entgegen anderslautender Meinungen die ihm die Figur nicht immer abnahmen, auch voll in seiner Rolle auf und seine Songs gehören mit zu den stärksten Auftritten im Film. Für den Comedy-Anteil hingegen sorgen Helena Bonham Carter und Sacha Baron Cohen, die beide herrlich aufspielen und immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht zaubern, trotz des zuweilen arg düsteren Settings. Vor allem die Szene in der Cohens Figur sich den Namen von Cosette nicht merken kann und ihr diverse andere Namen verpasst ist herrlich.

Für die quasi fast durchweg guten bis sehr guten Leistungen der Darsteller zeigt sich vor allem Regisseur Hooper selbst verantwortlich, der sich dazu entschied die Gesangsnummern während des Drehs einzufangen. Damit ist er nicht der erste Regisseur der dies für seine Musical verlangt, gemessen an der Größe des Projekts aber dann doch sowas wie ein Pionier, schließlich werden die Stücke sonst bereits Wochen vorher eingesungen und am Set nur noch die Lippen bewegt. Doch durch den Umstand des Live-Gesangs (der Kunststücke wie Knöpfe im Ohr und paralleles Klavierspielen im Hintergrund bedeutete) sind die Darsteller beim Singen ihre Nummern aber voll und ganz in ihren Rollen, was der emotionalen Kraft und der Wucht der Stücke sehr gut zu Gesicht steht.

Das Frankreich zu Beginn des 18 Jahrhunderts wurde zumeist ebenfalls recht gut getroffen, wenn auch die eine oder andere Aufnahme leider etwas Kahl und nach CGI aussieht, besonders wenn es in die Breite geht. In den kleineren Szenen sieht es dann schnell etwas zu sehr nach Set anstatt nach einer richtigen Location aus. Das gelang Hooper beim Dreh zu „The Kings Speech“ noch besser, wenngleich es durch die ca. 100 Jahre Unterschied der Epochen auch ungleich einfacher war.

„Les Misérables“ schafft es den Geist des Musicals auf die Kinoleinwand zu holen. Besetzt mit einem hervorragenden Cast und dem tollen Live-Gesang schafft Regisseur Hooper es die nicht immer astreine Geschichte und die ein oder andere Unstimmigkeit im Setdesign vergessen zu machen und den Zuschauer 150 Minuten lang sehr gut zu unterhalten.

Filmbewertung: 7/10