The Walking Dead – Season 1

The Walking Dead – Season 1

Nachdem das neuste Adventureprojekt von "Telltale Game" einige Verkaufsrekorde brach und sich auch die (Spiele-)Presse überschwänglich und voller Lob geäußert hatte, musste an dem Titel doch mehr dran sein als ich vermutet hatte.
Ich bin nun nicht der große Adventurefan, aber zumindest ging auch die "Back to the Future"-Staffel des Entwicklers nicht an mir vorbei. Doch "The Walking Dead" sollte anders sein, zum einen kein klares Adventure im eigentlichen Sinne und zum anderen generell ein gänzlich anderes Spielgefühl als viele andere Spiele.

Diesen Punkt, das "anders sein", kann man nach dem spielen der Staffel, eigentlich sogar bereits nach der ersten Episode, nur bestätigen. Doch kommen wir zunächst zum Spielinhalt:
Wie spielen Lee Everett und dieser ist, wie so oft zu Beginn eines Videospiels, in einer doch recht bescheidenen Lage, denn er befindet sich auf dem Rücksitz eines Polizei-Autos auf dem Weg ins Gefängnis.
Doch die Fahrt wird recht abrupt und unsanft gestoppt als der Fahrer des Wagens einen auf dem Highway laufenden Passanten überfährt. Der Wagen überschlägt sich mehrmals und wir kommen irgendwann im Straßengraben zu uns. Doch dort finden wir uns plötzlich mitten in der Zombie-Apokalypse wieder und der zuvor noch redselige Polizist sieht auch nicht mehr allzu gesund aus. Lee kann sich im letzten Moment retten bevor der zum Zombie mutierte Polizist ihm in den Hals beißt. Hinter einem Holzzaun in der nähe des Unfallorts trifft er die kleine Clementine, die sich in ihrem Baumhaus versteckt hat. Ihre Eltern sind in Urlaub nach Savannah gefahren und haben sie bei der Babysitterin gelassen. Das kleine 8 Jahre alte Mädchen stellt sich schnell als aufgeweckt und schlau heraus und zwischen Lee und Clementine stellt sich direkt eine gute Chemie ein, besonders auch nachdem Lee auf dem Anrufbeantworter der Familie drei Nachrichten abhört die darauf schließen lassen, das Clementines Eltern nicht mehr am Leben sind.
Lee entschließt sich also sich um Clementine zu kümmern und mit ihr zu versuchen in Sicherheit zu gelangen. Doch in einer Welt am Scheideweg, in einer Welt die von Zombies überrannt wird, ist dies kein leichtes Ziel.

Selten musste man in einem Videospiel derartig viele, kurzfristige und zudem wichtige, spielentscheidende und weichenstellende Entscheidungen treffen. Allein in den paar Zeilen der Inhaltsangabe sind, etwas versteckt, mehrere veränderbare Dialoge und auch kurze Quicktime-Events enthalten, die über Leben und Tot entscheiden können oder auch nur darüber, ob man zu anderen Menschen in dieser Welt immer ehrlich ist oder eine Notlüge vorzieht, mit der Gefahr das diese irgendwann wie ein Bumerang zurück kommt.
Die Entscheidungen gehen also von simplen Antworten in einem Dialog bis hin zu Entscheidungen die den Tot von Mitmenschen bedeuten können. Wen rettet und wen opfert man? Evtl. gar zum Wohl der restlichen Gruppe?
Das Spiel lässt dem Spieler dabei zumeist nur begrenzt Zeit, für die wirklich wichtigen, weil hektischen und zeitkritischen Entscheidungen sogar nur so wenig, das man wirklich dazu gezwungen wird aus dem Bauch heraus zu entscheiden. Einen Moment zu lange nachgedacht und man bleibt evtl. gar nur versteinert stehen und tut nichts. Zeit zum rationalen überlegen bleibt da nicht. Rettet ich Carly oder Doug? Hacke ich dem Mann der in der Bärenfalle steckt das Bein ab, weil die Zombies immer näher kommen oder gibt es einen besseren Weg der aber viel länger dauert? Lüge ich die Gruppe über meine Vergangenheit an oder bin ich ehrlich und laufe in Gefahr ausgegrenzt zu werden?

Das Spiel erstreckt sich über insgesamt 5 Episoden mit jeweils ca. 2 Stunden Laufzeit. Die Entscheidungen, bestimmte Antworten und welche Charaktere noch leben bzw. noch zur Gruppe gehören wird über die Episoden hinweg gespeichert und beeinflusst die weiteren Folgen der Staffel maßgeblich. Dadurch wird dem Handeln des Spielers ein enormes Gewicht beigemessen, welches nachhaltig das Spielgefühl verändern kann und in andere Wege leitet.

Die Steuerung des Spiels ist dabei bewusst simpel gehalten. Mit einem klassischen Adventure hat dies daher nur noch wenig zu tun. Keine Leiste mit Befehlen wie "Nimm" , "Mache" oder dergleichen. In Dialogen wird schnell mit den Tasten 1-4 eine Antwort gewählt, in den (perfekt dosierten und super eingebundenen) Quicktime Events wird im richtigen Moment eine Taste gedrückt (zumeist "Q" gefolgt von "E") oder aber mit der Pistole oder einem anderen Gegenstand auf Zombieköpfe geschossen bzw. geprügelt. Und im normalen "Adventure Mode," in dem man ein beschränktes Arreal erkunden kann, interagiert man direkt mit der Umgebung und wählt auf den entsprechenden Gegenständen oder Personen sofort mit dem Mausrad eine von maximal vier Optionen. Zumeist hat man die Wahl zwischen "Reden", "Nehmen" oder "Ansehen", teilweise kann man auch zuvor gefundene Gegenstände auf dem anderen Gegenstand benutzen.
Diese simple aber effektive Steuerung hat den Vorteil, das man nie aus dem Spiel gerissen wird, denn was man macht und wie man dies macht ist so intuitiv wie möglich und kommt dem wir man in der Realität agieren würde wohl am nächsten.

Das Herzstück des Spiel sind, neben den erwähnten Entscheidungen, aber die Charaktere die man auf seinem Weg trifft. Clementine stellt dabei den emotionalen Stützpfeiler von Lee dar, der bereits früh im Spiel einige schlimme Dinge sieht und tun muss. Doch dem Spieler fallen viele Dinger leichter bzw. man erträgt viele Situationen besser, wenn man weiß für wen man dies macht und das man immer jemanden auf seiner Seite haben wird. Clementine reiht sich so spielend in die Reihe der ganz großen Videospielcharaktere ein, überholt in ihrer Präsenz die eigentliche Hauptfigur Lee und bleibt bis zum Ende des Spiels die treibenden Kraft für den Spieler das Spiel "schaffen" zu wollen. Man ertappt sich mehrmals dabei, das man manche Dinge nur tut, um Clementine noch einmal eine Zeile Dialog sprechen zu hören. Der Bund der hier geschaffen wurde ist beängstigend gut gelungen.
Aber auch andere Charaktere wachsen einem ans Herz. Besonders schmerzlich merkt man dies dann, wenn diese Figuren in lebensbedrohliche Situationen geraten und diese evtl. nicht überstehen.

Schwachpunkte? Abgesehen von der nicht ganz taufrischen Grafik, die dank ihres Comic-Looks aber trotzdem überzeugen kann, gibt es eigentlich nichts. Man kann dem Spiel natürlich etwas die fehlende Komplexität der Bedienung anlasten und es gibt einige wenige Trial and Error Momente, in denen man bei der falschen Entscheidung wirklich stirbt und die letzte Szene wiederholen muss. In diesen Momentan gibt es dann doch nur eine mögliche Entscheidung, die andere führt zum Tode. Dies führt das Konzept etwas ad absurdum, stört im Gesamtkonzept dann aber doch nur wenig, da es eben so viele Stellen gibt die einfach perfekt funktionieren.
Naja, und dann gibt es da noch diesen Bug in der PC-Version des Spiels, wegen dem man seine Entscheidungen aus früheren Episoden verliert bzw. diese nicht benutzt werden. Da zeigt das Spiel vor dem Starten von "Episode 3" an, dass es keine Entscheidungen von Episode 2 und 1 gefunden hat und ob es diese stattdessen generieren soll. WTF? Ein Spiel welches von eben diesen Sachen lebt, sollte doch zumindest in diesem Punkt fehlerfrei sein.
Man kann das Problem scheinbar umgehen, indem man die Datei "prefs.prop" von "C:\Users\USERNAME\Documents\Telltale Games\The Walking Dead" in das Steamverzeichnis des Spiel kopiert (\steamapps\common\The Walking Dead\Pack\default), doch bei mir kam die Meldung weiterhin. Ein Klick auf "Generieren" führt aber scheinbar dazu, das trotzdem nichts generiert wird sondern die Einstellungen nun korrekt gelesen werden.
Ab diesem Zeitpunkt muss man dieses "rüberkopieren" zudem nach jeder durchgespielten Episode machen, da das Spiel (so seltsam es klingt) nun die Datei unter "Documents" schreibt aber die Datei unter "steamapps" anschließend ließt. Ein übler Bug, den Telltale dringend ausbessern muss.

"The Walking Dead" hat das Adventure-Genre nachhaltig beeinflusst und den Ruf von "Telltale" ein weiteres Mal bestätigt und gefestigt. Man kann sich sicher sein, dass es von dieser tollen Reihe noch mindestens eine Staffel geben wird und das ist auch gut so, denn das Spiel reißt den Spieler in seine Welt wie kaum ein zweites neben ihm.

9/10