The Amazing Spider-Man

The Amazing Spider-Man
Originaltitel: The Amazing Spider-Man – Erscheinungsjahr: 2012 – Regie: Marc Webb



Darsteller:
Andrew Garfield, Emma Stone, Stan Lee, Rhys Ifans, Embeth Davidtz, Martin Sheen, Chris Zylka, C. Thomas Howell, Sally Field, Denis Leary, Irrfan, Kelsey Chow u.A.

Filmkritik: Ein junger Mann, der in seiner Schule zwar durch Intellekt auffällt und durch Stärke, auch wenn Letztere aus dem Inneren kommt und leider nicht physisch ist, weswegen er manches Mal im Kampf für das Gute am Boden liegt und blutet. Eines Tages beißt der Zufall zu, wenn man so will, denn durch den Biss einer Spinne mutiert der bis dahin eben schmächtige Peter Parker zu einem Kraftprotz. Und mehr noch: er kann an Wänden krabbeln, hatte übermenschliche Reflexe und Stärke. Er wird zu Spider-Man!

Doch mit großer Kraft kommt große Verantwortung und auch wenn dieser Satz, welcher die erste Trilogie der Spinne von Sam Raimi geprägt hat und hier nicht so 1:1 vorkommt, Marc Webb hat es geschafft: Sein sprichwörtlicher „Amazing Spider-Man“ ist all das was die Comicfans sich erhofft hatten. Und noch viel mehr.

Nachdem Sam Raimi bewusst „campy“ vorgegangen ist und bunte Optik mit inhaltlich ordentlichem, aber nicht sonderlich intensiven Geheule verknüpft hat, schwingt sich nun Webb in den Regiestuhl (Achtung, Wortspiel!) und zeigt wie viel aus der Vorlage zu machen ist, wenn man es denn will. Gegenüber seiner Neuverfilmung wirkt Raimis „Spider-Man“ einfach nur antiquiert und das ist nun nicht (nur) auf die Effekte bezogen. Das Ganze verhält sich dann ähnlich radikal, als wenn man die 60er Jahre „Batman & Robin“-Serie dem modernen „Dark Knight“ entgegensetzt, nur noch besser:
Wo beim dunklen Ritter jeweils bestimmte Elemente adaptiert und andere dafür weggelassen worden sind, vereint „Amazing Spider-Man“ all das, was den Comic zu dem Riesenerfolg gemacht hat, welcher er seit den 60ern ist.

Wie die Spinne im Netz

Dabei erscheint es auf den ersten Blick durchaus schade, dass hier einmal mehr die Herkunftsgeschichte des blau-roten Superhelden durchgekaut wird. Aber wo Raimi eben noch ziemlich oberflächlich zu Werke ging, setzt sich Webbs Drehbuch sprichwörtlich aus verschiedenen kleinen Fäden zusammen. Vielschichtigkeit ist hier einmal mehr Trumpf. Schwarz-weiß ist hier kaum etwas, besonders nicht die großartig gelungenen Charaktere.

Fangen wir doch mal bei Emma Stone an, die in ihrer Rolle als Gwen Stacy nicht nur Spideys Herz höher schlagen lässt. Clever, überraschend gut geschrieben und sogar nicht nur als zu rettendes Anhängsel wird hier in einem Film viel, viel mehr angestellt, als den vorherigen drei Werken mit seiner weiblichen Hauptrolle eingefallen ist.

Der große Star ist aber natürlich Andrew Garfield als Spider-Man, der hier – nur um die Lobesarien noch einmal zu wiederholen – alles in sich vereint, was die eigentliche Figur des Peter Parker, wie auch eben die Spider-Mans, in sich vereint. Schüchtern, aber stark. Gezielt, aber zerstreut. Humorvoll, aber grübelnd. Einfach nur fantastisch! Gleiches kann man dann auch über Rhys Ifans Darbietung als Curt Conners und ersten Superschurken „die Echse“ sagen, der hier ebenfalls deutlich komplexer erscheint, als noch etliche Comicbösewichte vor ihm.

Aber wahrscheinlich ist viel davon auch Regisseur Marc Webb anzurechnen, denn es gibt eigentlich niemanden aus dem Cast, der hier nicht überzeugt. Sally Field als neue Tante May ist nicht mehr der Glückkeksweisheiten vor sich hin brabbelnde Haufen Gebrechlichkeit der Vorjahre und Martin Sheen als Onkel Ben ist … Onkel Ben. Und genau das ist das glorreiche dieses Films: Alle Figuren sind genau so wie sie sein sollen. Oder, etwa im Falle von Gwen Stacy, sind sogar noch besser benutzt, als es in manchen der früheren Comics der Fall war. Ihrem Charakter der Vorlage nach entsprechen alle bis aufs Haar. Wunderbar! Selbst Kleinheiten wie C. Thomas Howell als besorgter Vater eines durch Spidey geretteten Kindes oder Chris Zylka als „Flash Tompson“ der Schulrowdy sind perfekt getroffen und bekommen ihren kleinen Handlungsbögen spendiert. Wie gesagt, hier halten sprichwörtlich viele Fäden das Geschehen zusammen.

Die beste Spider-Man Verfilmung aller Zeiten

Und um zum letzten Mal den Spruch mit den Fäden zu bemühen: selbiges tritt auch auf die Geschichte zu, bei der hier Webb eben zahlreiche Elemente zu schultern hatte. Bereits angesprochen wurde das erneute Aufwärmen der Herkunftsgeschichte, dazu kommen emotionale Einblicke in das Gefühlsleben Peter Parkers, welches weit über den Herzschmerz bezüglich der geilen Nachbarstochter hinaus geht und schließlich zum Treffen mit Rhys Ifans Curt Conners Figur und dem Spinnenbiss führt. Aber auch dies ist eingebunden in eine weitere Handlung rund um die Entdeckungen von Peter Parkers Eltern und deren vermeintlichem Unfall.

Dabei wurde die zarte und ergreifende Liebesgeschichte zwischen Peter und Gwen noch gar nicht erwähnt, die wiederum durch deren Vater Captain Stacy in Diskussionen und Misstrauen bezüglich Spider-Mans Vigilantenaktivitäten führt und und und… man sieht: Viele Fäden und das ist auch gut so! Zu keiner Zeit entgleitet Webb das Geschehen dabei und bei so viel gut portionierter Handlung vergehen die 130 Minuten wie im Fluge.

Und wohl ebenso die beste Comic-Verfilmung aller Zeiten

Oben drauf kommt noch ein wie die Echsenfaust aufs Spinnenauge passende Musik von James Horner, die jeweils zwischen intim und episch binnen kürzester Zeit schwungvoll wechselt. Die Effekte des Films sind dabei auch über jeden Zweifel erhaben. Leute mit Höhenangst könnten bei den einen oder anderen Szenen durchaus satten Handschweiß bekommen, während die Echse hier auch einfach nur fantastisch gelungen ist. Und auch wenn es so langsam aber sicher etwas nervt mit den Superlativen um sich zu werfen, so kann ich zu meinem Bedauern nicht wirklich einen Punkt anbringen, der hier überhaupt einer Kritik bedarf. Wobei, einen Moment…

Das 3D: Ja, interessanterweise ist einzig dieser direkt in 3D gefilmte Streifen für die meiste Zeit überraschend un-3D-ig. Erst im Finale, wenn ständig kleinere Partikel in der Luft flirren und durch den Raum zu wabern scheinen, kommt ordentliches dreidimensionales Gefühl auf, davor waren zwar einzelne Tiefenebenen erkennbar, aber dies in einem extrem flachen Rahmen. Und auch wenn es durchaus gut zum Inhalt passt, gerade zum großangelegten Finale noch einmal so richtig an der dreidimensionalen Schraube zu drehen, so war es sicherlich nicht beabsichtigt, dass man davor dem Film seinen direkten 3D-Dreh nur in den seltensten Fällen ansieht.
Aber wahrscheinlich reißt auch hier einmal mehr die Heimkino-Veröffentlichung wieder so einiges heraus und so werde ich jetzt einfach mal ganz dreist diesen Minuspunkt aus der gefühlskalten Endbewertung in Zahlen herauslassen. Der Film gefällt so gut, dass man vielleicht auch deshalb schlicht gar nicht mehr die 3D-Effekte mitbekommen hat. (Gut, der Film ist zwar grandios, was aber leider trotz allem eben nicht auf die Tiefenwirkung vor dem Finale zutrifft. Abgesehen davon können Pop-Out-Effekte dabei an maximalst zwei Händen abgezählt werden.)

Im Endeffekt habe ich mir persönlich nach dem Kinobesuch den Kopf wegen einer Sache zermartert: „Was gibt es für einen Minuspunkt, damit ich dem Streifen jetzt nicht direkt 10 Punkte geben? Die Fortsetzungen werden vielleicht noch besser… Aber selbst wenn sie einfach genauso gut werden sind sie noch perfekt. Hmm… Perfekt. Irgendwas muss mir doch einfallen, damit ich jetzt keine 10 Punkte für diesen Film verteile. …oder?“ Antwort: „Nein!“

Filmbewertung: 10/10

P.S.: Der Film enthält den BESTEN Stan Lee-Gastauftritt ALLER Marvel-Filme. Und das wahrscheinlich sogar für die Ewigkeit, denn diese kleine Szene zu übertreffen dürfte beinahe unmöglich sein.
…wer jetzt nicht weiß wer Stan Lee ist, der soll den guten Mann doch bitte einfach mal googlen. Excelsior!