Endhiran – The Robot

Endhiran – The Robot
Originaltitel: Endhiran – Erscheinungsjahr: 2010 – Regie: S. Shankar



Darsteller:
Rajnikanth, Aishwarya Rai, Danny Denzongpa, Santhanam, Karunas, Devadarshini Chetan u.A.

Filmkritik: Es ist manches Mal schon ein Wunder, welche Filmjuwelen einem entgehen, wenn man seinen Blick nur in Richtung Hollywood wendet. „Endhiran – The Robot“ ist einer jener Streifen, der als großangelegter indischer Blockbuster so ziemlich jedem ähnlich angelegten Streifen aus Übersee meilenweit voraus ist.
“Aber da wird doch immer so getanzt und so ein Zeug!“ dürfte da der wenig mit der Materie in Kontakt gekommene Zuschauer mit etwas meckerndem Unterton bemerken. Dazu sei gesagt: Ja, dies ist einer jener Filme in denen „immer so getanzt“ wird. Witzigerweise haben die Inder selbst darauf nicht immer den größten Bock, weswegen sämtliche indische DVDs clevererweise nicht nur im Kapitelmenü die Gesangseinlagen markieren, sondern das nächste Filmkapitel jeweils genau hinter selbige setzen, so dass mit einem kleinen Tastendruck das Filmgeschehen nahtlos weitergeht. Personalisiertes Filmerlebnis schon heute! (Ganz zu schweigen davon, dass in den eigentlichen Songs, eben wie bei allen guten Gesangsnummern, zumeist eine inhaltliche Entwicklung reflektiert und in den momentanen Kontext sinnvoll eingebunden wird. Aber eben auch nur, wenn es gut gemacht ist. Wie eben bei diesem speziellen Fall.)

Die Geschichte des Films handelt von einem Wissenschaftler, der seine Angetraute vernachlässigt, um den perfekten mechanischen Menschen zu entwickeln, was ihm dann auch schließlich gelingt. Der mit dem Kosenamen Chitti versehene Roboter verfügt über die Intelligenz und Stärke von 100 Menschen und als ihm sein Schöpfer dann auch noch Emotionen einbaut ist es um den künstlichen Menschen geschehen: Er verliebt sich in die Bald-Ehefrau seines Chefs, was dieser gar nicht gerne sieht. Derweil versucht der böse Lehrmeister des Cyborg-Entwickler-Genies auch noch an die Pläne für Chitti zu kommen, um diese an den meistbietenden Fiesling zu versteigern…

New Man Come Down To Earth

Der beschriebene Inhalt macht dann auch nur einen Bruchteil der Handlung aus, denn ein ganzer Haufen von Nebenhandlungen sorgt derweil für das nötige Pfeffer. Egal ob es um die trotteligen Helfer des Docs geht, oder um dessen Freundin die gerade für ihre Examsarbeit büffelt, sowohl komödiantische, wie auch dramatische Situationen werden hier mit der eigentlichen Sci-Fi-Handlung verschweißt, was aber aufgrund der sehr flotten wie auch gekonnten Inszenierung nie irritierend wirkt, sondern dem Geschehen schlicht originell unterschiedliche Seiten abgewinnt. Abgeschmeckt wird als dies von Indiens Regie-Virtuose Shankar mit großangelegten Actionsequenzen, die sich von einer Massenschlägerei in einem Zugabteil bis hin zu ausufernden Verfolgungsjagden erstrecken, wenn die Polizei in der zweiten Filmhälfte hinter dem böse gewordenen Chitti her ist. Der wird gespielt von Bollywood-Superstar Rajnikanth, der in einer Doppelrolle gleichzeitig seinen eigenen Entwickler gibt. Dabei sind die Figuren deutlich vielschichtiger, als etwa bei einem Hollywoodfilm.

So sind der Doktor wie auch seine Angetraute durchaus positiv besetzte Charaktere, aber haben beide Momente in denen sie mehr als nur fragwürdige Taten ausführen. Wenn etwa nach einer humorvollen, wenn auch etwas melodramatischen Szene direkt eine Sequenz folgt, in welcher der wütende Wissenschaftler seine Schöpfung aus Wut und Frustration so übel auseinander nimmt, dass die gesamte Szenerie genauso aus einem Horrorfilm stammen könnte (was aber wohl durchaus Absicht ist), muss man einmal mehr Shankars Regieführung loben, die eben solche blitzschnellen Emotionswechsel gekonnt sowohl in die von ihm mitgeschriebene Geschichte als auch seine Inszenierung einbaut, ohne dass es nun fehl am Platze wirkt.

Dabei sind einige Effekte nicht ganz auf Hollywoodstandard, dass muss man zugeben, dafür ist die Art wie sie verwendet werden aber gefühlte zehnmal kreativer. Für etliche animatronische Effekte hat man sich zusätzlich sogar Stan Winston nach Bollywood geholt, der bereits für die Dinosauriermodelle im „Jurassic Park“ verantwortlich war, nur um mal eine seiner zahlreichen phantastischen Arbeiten zu erwähnen.

Humans Beware!

Nachdem in den ersten 100 Minuten des Geschehens neben einigen Actionsequenzen vor allem die Frankenstein-esque Menschwerdung der Hauptfigur im Vordergrund stand, bei der durchaus einige clevere philosophischen Fragen gestellt werden, findet in den letzten 80 Minuten des Geschehens der Actionkrawall statt. Schließlich böse geworden nimmt sich Chitti – jetzt mit neuem, böserem Look – schlicht das was er haben will, was dann schon einmal zu Todesfällen im dreistelligen Bereich führen kann. Dabei muss man einmal mehr die Kreativität der Macher loben, denn auch wenn eine absolut irrsinnige „Mücken-Sequenz“ (mehr soll nicht verraten werden) bereits zur Halbzeit klargestellt hat, dass hier absolut alles möglich ist, so sitzt man eigentlich in der zweiten Hälfte ständig mit offenem Mund staunend vorm Bildschirm.

Wenn man wirklich etwas kritisieren wollen würde an diesem phantastischen Werk, so fällt einzig auf, dass zwar die Musiksequenzen gekonnt eingebunden und teils riesig in ihren Ausmaßen sind, aber dass es eine Rap-Nummer dazwischen nicht wirklich gebraucht hätte. Aber das wars dann auch. Der Rest? Einfach nur unglaublich! Unglaublich kreativ, unglaublich unterhaltsam und vor allem unglaublich sehenswert!

Eine Schande, dass dieses Werk bislang keine Veröffentlichung hierzulande erfahren hat, so dass sich interessierte an die UK-DVD wenden müssen, welche den Streifen in großartiger DTS-Abmischung als Doppel-Disc bietet und im Originalton mit englischen Untertiteln daherkommt.

Jeder, der sich auch nur ansatzweise zutraut einen Bollywoodfilm mit englischen Untertiteln zu schauen (und eigentlich erst recht solche, die es nicht tun), muss sich eigentlich dieses phantastische Werk anschauen. Mir gehen langsam etwas die Superlative aus und so endet es mit der jetzt sicherlich nur noch obligatorischen

Filmbewertung: 10/10