Albert Nobbs

Albert Nobbs
Originaltitel: Albert Nobbs- Erscheinungsjahr: 2011 – Regie: Rodrigo García



Darsteller:
Glenn Close, Mia Wasikowska, Aaron Johnson, Jonathan Rhys Meyers, Brendan Gleeson, Maria Doyle Kennedy, Mark Williams, Janet McTeer, Bronagh Gallagher, Brenda Fricker, Pauline Collins, Antonia Campbell-Hughes

Filmkritik: Wir befinden uns in Irland im späten 19. Jahrhundert: Albert Nobbs (Glenn Close) ist seit über 30 Jahren Butler in einem Dubliner Nobelhotel. Auch wenn er sehr in sich gekehrt daher kommt erledigt er seine Aufgaben stets tadellos und spart seinen geringen Verdienst eifrig für seinen großen Traum: einen eigenen Tabakladen, an dem auch Frauen an der Theke arbeiten dürfen.
Was niemand weiß oder merkt ist, dass Albert eigentlich eine Frau ist, die sich seit Kindheit als Mann ausgibt, da Frauen zu dieser Zeit kaum unabhängig sein konnten und ohne einen Mann an ihrer Seite nur Hungerlöhne verdienten.
Durch die Ankunft des Malers Hubert Page (Janet McTeer) wird der bis dahin sehr zurückhaltende Albert aber schließlich ermutigt, offener mit seiner Umwelt umzugehen und die Lüge, die er jahrelang versuchte, aufrechtzuerhalten, endlich hinter sich zu lassen, was er kurzerhand dazu nutzt, der jungen Helen (Mia Wasikowska) Avancen zu machen. Doch diese hat nur Augen für den neuen Mitarbeiter im Hotel, Joe Macken (Aaron Johnson)….

Neben „The Iron Lady“ ist „Albert Nobbs“ der zweite dieser Klassischen Hauptcharakter-Filmen bei der diesjährigen Oscarverleihung. Ist Meryl Streep bei „The Iron Lady“ ein Stammgast der Verleihung gehört Glen Close, die die ungewöhnliche Hauptrolle in „Albert Nobbs“ verkörpert doch eher zu den seltener nominierten Gesichtern.
Man merkt bereits beim Studium der am Film beteiligten, dass „Albert Nobbs“ für Glen Close eine Herzensangelegenheit war. Seit taucht als Produzent, Autor und natürlich in der Hauptrolle auf. Doch kann „Albert Nobbs“ wirklich auch überzeugen, oder geht es nur um eine Bühne für die Hauptdarstellerin?

Die Geschichte um die Frau die sich seit Jahrzehnten als Mann verkleiden muss um im 19. Jahrhundert Arbeit zu finden und nicht elendig zu verhungern klingt auf den ersten Blick sehr interessant. Zwar wurden schon oft Frauen in Männerdomänen verfilmt, aber die Handlung von „Albert Nobbs“ ist doch nochmal eine ganze Spur heftiger.

Schnell wird allerdings klar, dass der Titel des Films auch Programm ist. Der gesamte Film dreht sich nur um die Figur des Albert Nobbs. Das ist zu Beginn noch interessant. Wie verhält sich die Figur, wie ist es dazu gekommen und was muss dies für ein Leben sein. Doch die Macher vergessen dabei, eine wirkliche Geschichte zu erzählen. Nebenplots gibt es praktisch keine. Es gibt lieblos angerissene Bruchstücke, doch alles was ein paar Meter neben der Hauptfigur abläuft wird nur noch schemenhaft angedeutet. Dazu wirkt die Figur des Albert Nobbs mit zunehmender Filmdauer immer skurriler Dies mag so gedacht sein, doch wenn man im Vergleich eine andere Frau mit vergleichbarem Schicksal im Film sieht, wirkt der Kontrast schon steil, beinahe abstrus.

Man muss dem Film definitiv zugutehalten, dass Glen Close „ihre“ Figur mit viel Hingabe spielt und dabei in der Regel auch überzeugt. Emotions- und Sexuallos lebt die Figur ein Leben in absoluter Tristesse und ihre Darstellerin hat sich perfekt in diese Figur hineinversetzt.
Doch leider gelingt es selbst dem Zuschauer nur selten einen wirklichen Einblick in die Gefühlssituation der Figur zu bekommen, derart verschlossen ist die Darstellung. Mit Mühe erfährt man im weiteren Verlauf vom harten Schicksal der Figur, ihrer sexuellen Orientierungslosigkeit und den verzweifelten Versuchen einen Lebenstraum in die Tat um zu setzen. Mit zunehmender Laufzeit wird der Pfad eingeschlagen, den schon so viele Oscarnominierte-Rollen vor ihr gingen. Zu vorhersehbar ist der weitere Verlauf der überraschungsarmen Handlung, zu selten und zu eindimensional wird auf die durchaus interessanten Nebenfiguren eingegangen. Alles spielt sich nur um die Hauptfigur ab, die allerdings nicht halb so viel zu erzählen hat wie es die Macher gerne hätten.

„Albert Nobbs“ ist leider ein weiterer Beweis dafür, dass eine tolle Schauspielleistung und eine interessante Figur keinen ganzen Film tragen können. Die Einbahnstraßenhandlung bei der nur selten ein Blick nach rechts und links erhascht werden kann, stolziert ohne Rücksicht auf den Zuschauer in ihre vorbestimmte Richtung und versucht gar nicht erst weitere Nebenschauplätze zu ergründen. Das funktioniert die erste Filmhälfte noch ganz gut, wird aber mit zunehmender Laufzeit immer anstrengender.

Filmbewertung: 6/10