Hardcore Henry – Hardcore

Hardcore
Originaltitel: Hardcore Henry – Erscheinungsjahr: 2016 – Regie: Ilya Naishuller
Deutscher Starttermin: 14. April 2016

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Darsteller: Sharlto Copley, Haley Bennett, Danila Kozlovsky, Cyrus Arnold, Will Stewart u.A.

Filmkritik: Es ist anscheinend wieder einer dieser Tage: Man wacht auf und bekommt gerade einen bionischen Arm und ein bionisches Bein angeschraubt, während einem seine blonde Wissenschaftlerin-Frau erklärt, dass man anscheinend einen Unfall hatte und nun als Cyborg durchs Leben gehen wird. Dann bricht ein verrückter Albino samt Telekinese-Kräften und Killerkommando durch die Türe, kidnappt die Herzensdame und man macht sich auf den Weg die Gute zu retten. Eben ein typischer Donnerstag.

… mehr soll zu der Handlung von „Hardcore“ auch gar nicht verraten werden, denn der von Timur Bekmambetov („Wanted“, „Abraham Lincoln: Vampire Hunter“, etc.) produzierte Streifen ist mit Sicherheit die beste Form von cineastischem Adrenalin, dass es bislang gibt. Der konsequent aus der Ego-Perspektive gefilmte Rausch ist dabei inhaltlich angenehm gradlinig und weckt Erinnerungen an die verspielten Cyborg-Streifen der späten 80er und frühen 90er Jahre, die damals zu Hauf in den Videotheken standen. Kombiniert mit einem schön bizarren Sinn für Humor, aber auch nicht zu vielen Lachern und einer großen Portion Gewalttätigkeit.

Während man zu Anfang noch denkt, dass hier ja das Gezeigte durchaus in normalen Bahnen abläuft, eskaliert die Action in „Hardcore“ perfekt. Zum Finale hin wirkt das Geschehen schließlich wie eine Kombination aus Arnold Schwarzeneggers und Steven Seagals „Greatest Hits“ auf Crack. Am eindrucksvollsten sind dabei aber noch nicht einmal die schön choreographierten Actionsequenzen, bei denen man geographisch stets weiß, wo man sich befindet, oder die saftigen Blutmomente, die in einem Durchgang Jahrzehnte an PG-13-Action aus dem Gedächtnis spülen. Nein, das Eindrucksvollste ist die Tatsache, dass trotz des „First-Person“-Gimmicks der Streifen ruhiger gefilmt und die Action besser zu sehen ist, als bei etlichen anderen modernen Krawall-Werken, die „ganz normal“ gefilmt sind.
„Hardcore“ nimmt sich zwischen seinen saftigen Sequenzen auch immer wieder Zeit kurz „runterzukommen“; umso nicht doch durch stetige Bewegung die Optik des Zuschauers allzu sehr auf die Probe zu stellen. Wenn zum Schluss der Abspann perfekt passend ins Bild knallt wird man befriedigt im Kinosessel zusammensacken und sich wünschen, dass es mehr solche Werke gibt, die als cineastische Erlebnisachterbahn nicht auf laufzeittechnischen Gigantismus oder unsinnige Nebenhandlungen setzen, sondern eine perfekt durchchoreographierte Actionoffenbarung wie diese bieten.

Zwischendurch erinnern etliche Elemente an Werke wie „Crank“ und „Gamer“, doch Regisseur Ilya Naishuller hat einen deutlich besseren Schnittrhythmus als Neveldine und Taylor, die mit einem Übermaß an chaotischer Inszenierung all ihre Werke deutlich unruhiger gestalten, als Naishullers First-Person-Extravaganz. Das ist angesichts des Egpo-Perspektiven-Gimmicks kaum vorzustellen, aber leider doch Realität. Selbst den Einsatz von Musik im Allgemeinen und Songs im Speziellen funktioniert bei „Hardcore“ deutlich besser und zeigt im positivsten Sinne die Musik-Clip-Wurzeln des Regisseurs.

Eigentlich müsste man auch noch viel mehr über die sehr wandlungsfähige und zumeist spaßige Rolle von Sharlto Copley sagen, die dem Werk mit seinem zu 99,9% gesichtslosen Protagonisten einen großen Charme-Faktor verleiht. Doch dann würde man auch einen der originellsten Momente von „Hardcore“ vorweg nehmen. Denn überraschenderweise hat der Film durchaus einen emotionalen Kern, der seine rudimentären Figuren trotz der übertriebenen Gewaltaction lockerer und menschlicher darstellt, als bei vielen anderen Konkurrenzprodukten. Wenn etwa eigentlich heroische Momente nicht so funktionieren wie gewollt (Stichwort: Pferd!), oder auch die zu Beginn aufpeitschende Rückblende sich im Nachhinein als emotionaler Kern der Geschichte entpuppt, so macht Regisseur Ilya Naishuller hier schlicht und ergreifend alles richtig: Ohne mit zu viel Gepäck die Handlung zu verstopfen werden charakterliche Eckdaten geliefert, um eine Identifikation, aber auch ein Interesse an diesem Protagonist zu schaffen, der so sehr wie vielleicht kein anderer vor ihm schlicht als Avatar des Zuschauers in einer komplett cineastischen Welt fungieren soll.

Das Fazit fällt bei so viel guten Elementen natürlich denkbar einfach aus: Jeder, der auch nur ansatzweise mit „dynamischer“ Kameraführung klar kommt, für den ist „Hardcore“ ein absolutes Pflichtprogramm, an dem nichts vorbei führt. Wer den ersten „Crank“-Film wegen dessen stimmungssteigernder Herzschlagförderung mochte, der wird „Hardcore“ lieben. Wer mal wieder einen klassischen Cyborg-Actionstreifen in „neuer Verpackung“ sehen will, der muss unbedingt „Hardcore“ sehen und all jene im Allgemeinen, die einfach nur gute Action sehen wollen, für die führt kein Weg an „Hardcore“ vorbei.

Auch wenn das Marketing des Verleihers dahingehend nicht stimmt, dass dies „die erste ‚First-Person-Experience‘ der Filmgeschichte“ sei (, schließlich gab es „FPS“ und „Hotel Inferno“ bereits), so ist es doch definitiv mit weitem Abstand die Beste!
So bleibt nur noch zu sagen: Wer „Hardcore“ ab dem 14.04. nicht im Kino anschaut, der verpasst mit Sicherheit eines der besten Actionfilmerlebnisse des Jahres!

Filmbewertung: 9/10