Nebraska

Nebraska
Originaltitel: Nebraska – Erscheinungsjahr: 2013 – Regie: Alexander Payne

MPW-89141

Darsteller: Bruce Dern, Will Forte, June Squibb, Bob Odenkirk, Stacy Keach, Mary Louise Wilson, Rance Howard, Tim Driscoll, Devin Ratray, Angela McEwan, Gelndora Stitt, Elizabeth Moore

Filmkritik: Der Weg ist hier definitiv nicht das Ziel, denn am Ende wartet ein Lottogewinn in Millionenhöhe. Das denkt zumindest der grantige Woody Grant (Bruce Dern), der sich getäuscht durch einen betrügerischen Werbeprospekts, das vermeintlich große Geld persönlich in Lincoln, Nebraska, abholen möchte. Doch die 900 Meilen Strecke von seinem Wohnort zum Ziel seiner Träume kann der Eigenbrötler allein nicht mehr bewältigen. Von seiner garstigen Gattin Kate (June Squibb) und seinem verbitterten Sohn Ross (Bob Odenkirk) ist keine Hilfe zu erwarten: Sie tragen ihm immer noch seine unrühmliche Säufer-Vergangenheit nach und würden ihn am liebsten in ein Heim stecken. Schließlich erklärt sich sein gutmütiger Sohn David (Will Forte) dazu bereit, die Fahrt mit seinem Vater anzutreten – auch wenn die beiden schon lange nicht mehr viel miteinander zu tun haben. Bei einem ungeplanten Zwischenstopp in Woodys Geburtsstadt Hawthorne treffen sie auf ihre Verwandtschaft, alte Freunde und auch viele Neider, die sich vor allem für den neu gewonnenen Reichtum des seltenen Gastes interessieren. Der Vater-Sohn-Trip wird so nicht nur zu einer Reise in Woodys Vergangenheit, sondern vielmehr zur Suche nach Respekt und Anerkennung und vor allem nach etwas, wofür es sich lohnt, weiterzuleben.

Regisseur Alexander Payne ist kein unbeschriebenes Blatt auf dem Oscar-Teppich. Bereits 2005 gewann er einen Preis für das beste adaptierte Drehbuch zu seiner Tragikomödie „Sideways“. Und auch im Jahr 2012 konnte er einen der Goldjungen abstauben, ebenfalls wieder für ein adaptiertes Drehbuch, diesmal aber zur Tragikomödie „The Descendants“ mit George Clooney. 2014 tritt er nun mit der Tragikomödie (ich erkenne ein Muster) „Nebraska“ erneut bei der Verleihung an. Doch diesmal ist er nicht für das Drehbuch nominiert, denn erstmals hat er dies nicht selbst verfasst sondern vom unbefleckten Autor Bob Nelson verfassen lassen. „Nebraska“ ist insgesamt für 6 Oscars nominiert, dazu gehören Beste Hauptrolle und Beste weibliche Nebenrolle, Bester Film, Beste Regie, Beste Kamera und der Regie-Oscar, womit sich der Kreis wieder bei Alexander Payne schließt. Doch genug der Trivia-Texte, hin zum Film.

„Nebraska“ ist eine Tragikomödie durch und durch. Die Geschichte des, auf der Schwelle zum Alzheimer stehenden Woody Grant, der große Teile seines Lebens versoffen hat, steht immer wieder zwischen den Stühlen und man weiß des Öfteren nicht ob man lachen oder weinen soll. Doch eben genau das ist die große Stärke von „Nebraska“ und dem zugrunde liegenden Drehbuch.

In dem in schwarz/weiß gedrehten Film begibt sich der Zuschauer zusammen mit seinen beiden Hauptfiguren auf einen ereignisreichen Road Trip, der mit all den Vorzügen des Genres daherkommt und dem nur wenige seiner Schattenseiten anhängen.

Doch es fällt schwer, genau zu erläutern weswegen „Nebraska“ ein derartig guter Film ist. Dieser Umstand könnte dem Film auch bei der Oscar-Verleihung das Genick brechen, denn für sich betrachtet wirkt keiner der vielen Teilaspekte des Films direkt Oscar-Verdächtig. Bruce Dern als gealterter Trinker ist stark aber nicht herausragend. Das Drehbuch ist gespickt mit vielen feinen Nuancen aber kommt eben auch etwas episodenhaft daher. Die Kameraarbeit ist solide, versteckt sich aber auch vielleicht hinter dem Schwarz/Weiß des Films.

Doch aus all diesen Zutaten entsteht ein Film, der 2013 in diesem Bereich nur wenige gleichwertige Gegenstücke gehabt hat. Wie all die kleinen Schräubchen ineinander übergreifen, wie Bruce Dern durch die starken Szenen des Drehbuchs zur Höchstform aufläuft, ohne dafür wirklich über sich und seine Zunft hinauszuwachsen oder wie herrlich passend sich der Schwarz/Weiß Stil des Films in die Geschichte, die einen Ausflug in die Vergangenheit darstellt, einfügt, das muss man erleben, das kann man nicht auf dem Reisbrett mal eben schnell festlegen.

„Nebraska“ legt das Augenmerkt auf verschiedene Themen. „Small Town Amerika“ ist eines davon. Die Darstellung dieser kleinen Orte mit wenigen hundert Seelen, noch weniger Arbeitsplätzen und nichts zu tun außer sich besaufen und Kinder kriegen ist schon für sich alleingestellt irgendwie faszinierend und bemitleidenswert zugleich. Gepaart mit einer Geschichte über eine Familie, die Jahrelang von den Kapriolen des Vaters überschattet wurde und der durch sein großes Mundwerk heute wie damals in Schwierigkeiten gerät, ergibt sich eine Geschichte die vor Witz aber auch vor Tragik nur so sprüht.

Da sind die gleichaltrigen Verwandten, die noch nie eine ehrliche Arbeit hatten, bereits mindestens einmal einen Knast von innen gesehen haben und sich köstlich daran amüsieren können, das man für eine Strecke von 850 Meilen länger als einen Tag gebraucht hat, während sie dieselbe Strecke in 8 Stunden zurücklegen würden. Oder die alten „Familienfreunde“ die in der Geschichte um die 1 Million Dollar ihre letzte Chance wittern dem Leben noch etwas abgewinnen zu können. Gespielt von Stacy Keach gehört dieser Teil der Handlung allerdings leider auch zu den nicht ganz so gut herausgearbeiteten Bereichen.

Mit „Nebraska“ gelang Regisseur Alexander Payne in Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Bob Nelson ein außergewöhnlicher Film der das Genre der Tragikomödie nahezu perfekt auslotet. Kombiniert mit dem Road Movie-Aspekt, der auch bereits „Sideways“ zu dem machte was er auch heute noch ist und den starken Leistungen aller beteiligten Schauspieler gebührt „Nebraska“ der eine oder andere Oscar. Doch die Gefahr die davon ausgeht, dass die einzelnen Faktoren nur schwer für sich alleine stehen können, besteht in jedem Fall und wenn „Nebraska“ leer ausgeht, wäre dies wirklich ein herber Rückschlag.

Filmbewertung: 9/10