Fantasy Film Fest Nights – Chronicle – Wozu bist du fähig?

Chronicle – Wozu bist du fähig?
Originaltitel: Chronicle – Erscheinungsjahr: 2012 – Regie: Josh Trank



Darsteller:
Michael B. Jordan, Dane DeHaan, Michael Kelly, Ashley Hinshaw, Alex Russell, Anna Wood, Joe Vaz, Luke Tyler, Matthew Dylan Roberts

Filmkritik: High School-Schüler Andrew (Dane DeHaan) hat es nicht leicht. Seine Mutter ist schwer krank und braucht starke, teure Medikamente. Sein Vater war eins Feuerwehrmann, lebt aber seit langem nur noch von der Versicherung und ist ein Trinker. Er entschließt sich eines Tages, sein Leben mit einer Kamera festzuhalten. Er filmt von diesem Zeitpunkt an sein Umfeld mit Vorliebe mit der Kamera und zu allen Tageszeiten.
Abseits einer Highschool-Party entdecken er, sein Cousin Matt (Alex Russell) und ihr Mitschüler Steve (Michael B. Jordan) eines Nachts einen im Boden eingeschlagenen Meteor und in dem Krater eine unbekannte Substanz, die ihnen allen telekinetische Kräfte verleiht. Durch ständiges Benutzen der Kräfte, werden diese mit der Zeit stärker und immer mächtiger, so dass die Jungs ihre Gabe alsbald nicht nur zum Spaß nutzen, sondern sich sogar in die Lüfte erheben und fliegen können.
Doch die ungeheure psychische Macht ist für einen instabilen Geist nur schwer zu kontrollieren und Andrew sieht in nun die Möglichkeit, endlich die Gelegenheit, sich an den Missständen in seinem Leben, wie seinem gewalttätigen Vater, zu revanchieren. Es kommt zu Konflikten zwischen den 3 Semi-Superhelden und schlussendlich zum offenen Schlagabtausch…

„Schon wieder Found-Footage?“ ist wohl das erste was man hört, wenn der Trailer zu „Chronicle“ an einem öffentlichen Ort läuft. Und ja, es ist wieder mal Found-Footage. Aber anstatt, wie bei „Paranormal Activity“ das ganze lediglich so weit zu melken bis aus den Kamera-Zitzen nichts mehr rauskommt, erschuf Regie-Neuling Josh Trank einen herrlich kreativen Ableger der Found-Footage Welle. Er vermengt in „Chronicle“ das Superhelden-Genre mit dem, eigentlich auf den Horror-Bereich festgelegten, Kameragewackel. Heraus kommt ein spaßiger, teils neuartiger Film, der sich um Konventionen nur wenig schert und meist einfach das macht was er will.

"Yes, it was the black guy this time…" 

Nachdem die 3 Freunde ihre Superkräfte bekommen haben und bei einem anschließenden Ausflug zurück zur Übertragungsstätte festgestellt haben, dass die Höhle in der sie ihre Kräfte erhielten komplett verschüttet wurde, beginnen sie schnell damit, auszuloten was sie können. „With great power comes great responsibility“ wird dabei mit Füßen getreten und zählt hier nicht die Bohne. Von harmlosen Streichen wie dem hochpusten von Cheerleader-Rücken mit einem Laubsauger, allein per Gedankenkraft und herrlich obskuren Scherzen in seinem Supermarkt, führt das rumprobieren mit der unbekannten Macht auch schnell zum ersten Unfall, bei dem beinahe der erste Unbeteiligte draufgeht.

„Chronicle“ begeistert in der ersten Filmhälfte vor allem dadurch, dass der Film den Zuschauern zeigt was man sich selbst insgeheim jedes Mal fragt bzw. ausmalt, wenn Marvel oder DC wieder einen Superhelden auf die Leinwände loslässt: “Was würde ich eigentlich mit dieser Power anstellen?“ Nur wenige würden wohl direkt antworten: „Natürlich die Welt retten.“ Ganz Mensch wird die neu gewonnene Power, die alsbald von einfacher Telekinese hin zu einer beeindruckenden Flugfähigkeit und einer schieren Unverwundbarkeit aufgebohrt wird, zunächst für den eigenen Vorteil eingesetzt und um Spaß zu haben. Hier gefällt „Chronicle“ am besten, da er eben das zeigt, was man sonst nicht zu sehen bekommt.

"Oh wow, look! A nerd with a camera!"

Die Found-Footage Kamera stört dabei kaum. Zwar wird in der ersten halben Stunde noch in gewohnter Marnie gewackelt, verzerrt und mit der Schärfe hantiert wie man es im Genre gewohnt ist, aber bereits hier spielt der Film herrlich kreativ mit seinen Möglichkeiten. Die Hauptkamera des Films ist ein antiquiertes Modell für ein paar Dollar, dementsprechend schlecht und farbarm sieht das Bild auch zunächst aus. Doch bereits in dieser Phase wird die Bloggerin Casey Letter (Ashley Hinshaw) mit in den Film geholt, die ihrerseits auf einen feinen HD-Camcorder zurückgreifen kann. Aufnahmen aus ihrer Kamera sehen direkt viel besser aus. Ein Detail am Rande, das für Atmosphäre sorgt.
Doch die Found-Footage-Kreativität ist hiermit noch nicht am Ende. Um dem allseits bekannten, nervigen Wackeln aus dem Weg zu gehen und zudem kreative Kamerawinkel zu ermöglichen, aber trotzdem dem Genre der Handkamera treu zu bleiben, wird die Kamera im späteren Filmverlauf durch Andrew per Telekinese gesteuert und kreist daher auch mal butterweich durch die Lüfte oder bietet Panorama-Aufnahmen, statt nur eine Art Ego-Perspektive zu liefern.
Natürlich sei die Frage erlaubt, wieso man dann überhaupt noch auf das Found-Footage-Stilmittel zurückgegriffen hat, doch auch ohne die „echte“ Handkamera, steht der Storyaufbau ganz im Zeichen des Genres und funktioniert auch nur in diesen engen Konventionen wirklich gut. Geschickt werden so zum Teil Längen in der Erzählung umgangen, denn zu dieser Zeit war die Kamera eben einfach ausgeschaltet.

Die drei neuen Superhelden sind auf ihre Art überzeugend und machen das Beste aus ihren Rollen. Wirklich tiefsinnig erscheint zwar keiner, aber das ausgerechnet Michael B. Jordan und Alex Russell als Matt und Steve am Ende als die besseren Darsteller in Erinnerung bleiben hätte man zu Beginn des Films nicht gedacht. Allerdings bekam Dane DeHaan auch wirklich den undankbarsten Part. Er hat als einziger sowas wie eine Hintergrundgeschichte, welche aber zum bersten vollgepackt ist mit Problemherden und dem Einmaleins des Drehbuchschreibens für Antagonisten: Ein trinkender Vater, eine totkranke Mutter, er selbst ist in sich gekehrt und hat mit anderen Jugendlichen in seinem Alter nur wenig zu tun. Eben der typische Problemfall.
Dreimal darf man raten, wer dann auch im Finale des Films für Zunder sorgen wird. Denn ausgerechnet im Finale bzw. auf der gesamten Zielgeraden hebt das Drehbuch alle fallengelassenen Hemmungen wieder auf und benimmt sich fast komplett nach Schema-F.

Hätte „Chronicle“ sich am Ende nicht doch wieder auf die typischen Tugenden besonnen die man bei „solchen Filmen“ am Ende immer anspricht, es hätte wirklich ein echter Film für die Ewigkeit werden können. So ist es leider „nur“ ein richtig guter Found-Footage-Film geworden, der dem Genre diverse neue Erkenntnisse abgewinnen kann und besonders in der ersten Hälfte jede Menge Spaß macht. Es lohnt sich!

Filmbewertung: 7/10

executor stimmt mit ein

Da muss ich zu großen Teilen meinem Vorredner recht geben. „Chronicle“ ist eine hochsympathische Superkräfte-Geschichte, die sich der „Found Footage“ (war das überhaupt als solcher bezeichnet? Besser würde fast noch „Hand-Held-Optik“, oder so passen.)-Prämisse bedient.

Der Look ist fantastisch und schon so durchkomponiert gelungen, wie auch in unserer heutigen Welt durchaus realistisch, dass es dem Geschehen eine ganz eigene Erdung gibt. Bei all den verschiedensten Kameras in unserer Welt ist es wohl durchaus möglich, dass genau so etwas aus den verschiedensten Einzelfilmchen zusammengesetzt werden könnte.

Gerade diese Tatsache hat mir dann auch den sich von Anfang an anbahnenden Showdown versüßt, welcher genial zwischen Überwachungskameras, Polizei-Kameras und eigenem Heimvideo-Material (von verschiedensten Figuren) hin und her wechselt. Dass der böse Vater und die arme kranke Mutter hier als Story-Katalysatoren und wenig mehr benutzt werden, fand ich dahingehend auch weniger schlimm, denn wie Kollege C4rter so schön sagt könnte eben bei all den anderen Sachen gut „die Kamera aus“ gewesen sein, was dem Geschehen nur noch mehr Charme verleiht. Dabei habe ich mich persönlich gerade im Bezug auf die knappe Bösewichtscharakterisierung beinahe schon vom Film angesprochen gefühlt hier selbst die Lücken zu Füllen. So kommt, wie bereits gesagt, die Inszenierung dem Inhalt deutlich zu Gute und auch wenn ich durchaus die Kritikpunkte verstehe, vergebe ich für diesen faszinierenden Superheldenfilm (wenn nicht sogar den bislang faszinierendsten) die etwas bessere

Filmbewertung: 8/10

 

Doppel-Review-Notenschnitt: 7,5/10