Extremely Loud and Incredibly Close – Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah
Originaltitel: Extremely Loud and Incredibly Close – Erscheinungsjahr: 2011 – Regie: Stephen Daldry



Darsteller:
Tom Hanks, Sandra Bullock, John Goodman, Max von Sydow, Viola Davis, Jeffrey Wright, Thomas Horn, Adrian Martinez, Zoe Caldwell, Chloe Elaine Scharf, Joseph McKenna, Griffin Newman

Filmkritik: Der zehnjährigen Oskar (Thomas Horn) verlor seinen Vater (Tom Hanks) 2001 bei den Terroranschlägen auf das World Trade Center. Während sich seine Mutter (Sandra Bullock) ein Jahr danach immer mehr in ihrer Trauer verschließt, findet Oskar zufällig in den Hinterlassenschaften seines Vaters einen mysteriösen Schließfachschlüssel mit einem Nachnamen als Hinweis, „Black“. Seine Suche nach Informationen verschlägt den Jungen daraufhin quer durch New York und zu über 200 verschiedenen Personen und Familien mit dem Namen Black…

Wenn ein neuer Kinofilm „9/11“ als Thema hat, beginnt bei vielen direkt das Stöhnen. „Schon wieder?“. 2011 jährte sich das schreckliche Ereignis zum zehnten Mal und dies war Grund genug, dass das Stargespickte Werk „Extremely Loud and Incredibly Close“ die Geschichte noch einmal aufrollte…und sich dabei überraschender Weise nur selten in den von vielen befürchteten, sattsam bekannten Klischees herumtreibt.

„Extremely Loud and Incredibly Close“ fokussiert sich voll und ganz auf eine Familie, die durch das Unglück ihren Vater verloren hat. Genau, wird der kleine Sohn Oskar in den Fokus gerückt. Und hier überrascht der neue Film von Stephen Daldry bereits das erste Mal. Denn wer rechnet bei Namen wie Hanks und Bullock damit, dass ausgerechnet ein zehnjähriger die Hauptrolle allein stemmt. Horn wandelt dabei auf einem schmalen Grad. Er spielt einen schwierigen Jungen, einer, der bei vielen Zuschauern von Minute 1 an nicht ankommen wird und für die bereits dann der ganze Film nicht mehr funktionieren kann. Doch solch ein Kind benötigt der Film. Kein normal denkender kleiner Junge würde sich auf eine Schnitzeljagt quer durch New York begeben. Zudem gelingt es Horn so spielend diese Figur darzustellen und alle Augen und Gedanken auf sich zu ziehen, dass man ihn einfach mögen muss, auch wenn es grad zu Beginn nicht einfach scheint. Dadurch, dass er als Ich-Erzähler fungiert und aus dem Off die ein oder andere Szene kommentiert, was teilweise gar an „Fight Club“ erinnert, fällt es zudem nicht allzu schwer sich teilweise in seine Situation zu versetzen.

Man kann „Extremely Loud and Incredibly Close“ wohl weitestgehend als eine Art Coming of Age Geschichte beschreiben. Die Abenteuer die Oskar erlebt und die vielen verschiedenen Leute die er kennenlernt halten den Film konsequent kurzweilig und unterhaltsam. Daldry weiß aber auch, wann er den Zuschauer emotional binden muss.
Dabei lastet dem Film keine Schwere auf den Schultern, denn trotz des Themas wurde hier kein sülziges Melodram kreiert. Hier und da wirkt der Film vielleicht sogar etwas zu seicht, vor allem weil die Attacken vom 11. September nur als Rahmenhandlung dienen, doch zu diesem Zeitpunkt kommt mit Urgestein
Max von Sydow eine Figur ins Drehbuch, die neben dem kleinen Oskar großartig aufspielen kann…ohne auch nur ein einziges Wort zu sprechen. Denn Sydows mysteriöser alter Mann verständigt sich nur durch geschriebene Worte auf seinem Notizzettel oder das heben seiner Handflächen, in denen „Yes“ bzw. „No“ steht. Faszinierend und fulminant gespielt.

Dadurch, dass sich der Film seine gut dosierten, dramatischen Szenen immer für den richtigen Moment aufspart, wirken diese so gut wie immer, auch nachhaltig. Besonders die Anrufbeantworter-Aufnahmen seines Vaters kurz bevor einer der Tower des WTC einstürzt, die Oskar vor allen versteckt hält und die nur er kennt, erschrecken den Zuschauer nicht nur einmal und beschreiben gut, was in diesem Jungen vor sich gehen muss. Wer hier kritisiert, Daldry würde diese Szenen einzig als Tränendrücker-Szenen in den Film quetschen, sollte vielleicht nochmal in sich gehen.

„Extremely Loud and Incredibly Close“ zeigt das packende Portrait eines Jungen, der über den Verlust seines Vaters hinwegkommen will und in einer verzweifelten Schnitzeljagd seine Chance dazu sieht. Ob sein Vater nun bei „9/11“ verstarb oder bei einem Autounfall scheint letztlich egal, gibt dem Werk aber die benötige Gewichtung um sich ins Zuschauerinteresse zu bewegen. Daldry labt sich dabei nicht am Leid des Unglücks sondern setzt Szenen wie den Anrufbeantwortet konsequent aber nicht überbordend ein. Fazit: Wer sich allein aufgrund der 9/11 Thematik weigert den Film anzusehen, sollte sich dies definitiv nochmal überlegen, denn er gehört vor allem in diesem Bereich zu einem der am besten anschaubaren Filme.

Filmbewertung: 8/10